Berlin (epd). Der Berliner Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel sieht angesichts der Proteste einzelner Interessengruppen den gesellschaftlichen Frieden gefährdet. „Zu viele partikulare Interessen, egoistisch vorgetragen, können auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt schwächen. An diesem Punkt befinden wir uns“, sagte Merkel der „Berliner Zeitung“ (Freitag).
Mit Blick auf die für nächste Woche angekündigten Proteste verschiedener Verbände, etwa von Bauern, Spediteuren und Lokführern, sagte Merkel: „Streit und Streik gehören zu einer lebendigen Demokratie. Erlischt beides, stirbt der Pluralismus, ein Wesenszug der Demokratie.“ Selbst ein politisch motivierter Generalstreik, der in Deutschland aber verboten sei, wäre mit einer lebendigen Demokratie vereinbar. „Ob er klug wäre für gesellschaftlichen Frieden und wirtschaftliche Prosperität, ist eine andere Frage“, sagte Merkel.
Nach Meinung des Politikprofessors gibt es verschiedene „Lesarten“ für die Stimmung im Land. Zum einen gebe es die Unzufriedenheit mit der Regierung, ihrem Regierungsstil und mit zentralen politischen Entscheidungen. Dabei müsse die Koalition „aufpassen, dass sich diese Wut nicht auf das System der Demokratie überträgt“.
Eine andere Lesart sei, dass es sich etwa bei der Gewerkschaft Deutscher Lokführer um „eine egoistische Spartengewerkschaft mit geringer Mitgliedschaft“ handele. Bauern repräsentierten lediglich zwei Prozent der Beschäftigten und Spediteure beanspruchten für sich Privilegien, obwohl „schon immer Teile ihrer Kosten“ wie der Erhalt von Autobahnen von der Allgemeinheit getragen würden.