Was sagen Sie zu der biblischen Aufforderung, sich nicht zu fürchten? Es gibt ja viele Krisen ...
Borwin Bandelow: Ja, wir leben in einer schwierigen Zeit. Trotzdem ragt die Bedrohungslage in Deutschland heute nicht besonders heraus. Insofern hat die Aufforderung, sich nicht zu fürchten, ihre Berechtigung. Außerdem sind Menschen in anderen Regionen ganz anderen Gefahren ausgesetzt als wir. In Ländern, wo ständig Bomben fliegen, wo Menschen entführt oder auf der Straße erschossen werden - selbst da sind die Menschen fröhlich. Und in Rio tanzt man weiter Samba, obwohl die Gefährdungslage dort deutlich stärker ist als etwa in Hamburg. Und das liegt daran, dass Menschen sich wirklich sehr gut anpassen können, auch an gefährliche, problematische Zeiten.
Was würden Sie den Menschen in Deutschland denn raten?
Bandelow: Ich kann den Menschen natürlich schlecht sagen: Trinken Sie jetzt mal schön einen grünen Tee und dann geht die Angst vorbei. In gewisser Weise muss man lernen, die Angst auszuhalten. Und sich sagen, dass es immer eine Lösung gibt.
Hilfreich kann sein zu schauen, ob die Lage "ernst, aber nicht hoffnungslos" ist oder ob sie "hoffnungslos, aber nicht ernst" ist. Zum Beispiel, wenn sich der Partner trennen will. Dann muss die Welt nicht zusammenbrechen. Man könnte ja vielleicht auch einen anderen Partner finden. Oder es gibt ständig Streit, dann ist die Lage vielleicht hoffnungslos, aber nicht ernst. Oft trifft eine dieser beiden Möglichkeiten zu, und dadurch kann man sich ein bisschen beruhigen.
Wie gehen Sie selbst mit der biblischen Aufforderung "Fürche dich nicht" um?
Bandelow: Ich bin bekennender Agnostiker. In einer schwierigen Situation würde ich nicht erwarten, dass Gott mir hilft. Trotzdem würde ich sagen, dieser Bibelspruch kann allen helfen, Gläubigen und Nicht-Gläubigen. Wenn man versucht, mit diesem Spruch mit einer Lage besser klarzukommen.
Wenn ich in einer schwierigen Lage bin, denke ich an frühere, sehr schwierige Situationen, wo es dann doch noch einen Ausweg gab. Das ist der Vorteil beim Älterwerden, dass man die Erfahrung gemacht hat, dass es manchmal verblüffende Lösungen gab, wo man keine Lösung erwartet hat.
Manchmal nehme ich dann aber auch meine elektrische Gitarre und drehe alle Knöpfe auf zehn. Ich versuche, ein ganz furchtbares Heavy-Metal-Solo zu spielen, so laut es geht. Das hilft manchmal.