Köln (epd). Der katholische Theologe Michael Seewald hält nach dem Ermöglichen von Segensfeiern für Homosexuelle und wiederverheiratete Geschiedene auch eine Öffnung des Priesteramtes für Frauen in seiner Kirche für denkbar. Das Dokument, das die Segnung sogenannter irregulärer Beziehungen ermögliche, mache „aus seinem prozesshaften Charakter keinen Hehl“, schreibt der Münsteraner Dogmatiker in einem Gastbeitrag im „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Donnerstag). Theologen und Seelsorger, aber auch engagierte Katholiken und eine kritische Öffentlichkeit sollten nach Ansicht Seewalds „daher nicht nachlassen in ihrem Drängen, dass sich auch die 'Weiterentwicklung' der Lehre, von der die Erklärung spricht, selbst noch einmal weiterentwickelt“ - auch in Bezug auf die Frauenordination.
Das vatikanische Dikasterium für die Glaubenslehre hatte am Montag in Rom mit Billigung von Papst Franziskus die Erklärung „Fiducia supplicans“ (deutsch: Das flehende Vertrauen) veröffentlicht. Ihr zufolge ist eine Segnung von Paaren, die nicht der Sexualmoral der Kirche entsprechen, in der katholischen Kirche künftig möglich, sie wird vom Ehesakrament aber deutlich abgegrenzt.
Seewald zufolge hatte die Glaubenskongregation noch 2021 erklärt, dass sie gleichgeschlechtlichen Paaren keinen Segen spenden könne. „Der Kirche, so hieß es damals, fehle dazu die Vollmacht“, verdeutlichte der Theologieprofessor . Eben jene Vollmacht spreche das Lehramt der Kirche aber nun doch zu. Seewald überträgt dieses Argumentationsschema auf die Frauenordination: „Der Ausschluss der Frauen vom Priesteramt wurde unter Johannes Paul?II. mit derselben Argumentationsfigur begründet: Die Kirche habe keine Vollmacht, Frauen das Sakrament der Weihe zu spenden.“
Die Frage nach dem Zugang zum Weiheamt werde in der Erklärung des Glaubensdikasteriums zwar nicht thematisiert. Sie zeigt Seewald zufolge jedoch: „Was die Kirche als in ihrer Vollmacht stehend betrachtet, ist einem historischen Wandel unterworfen.“ Dass Rom dies nun offen zugebe, „könnte ein Indiz für behutsam vorbereitete Veränderungen sein, drängende Fragen des kirchlichen Lebens betreffend, in denen Entwicklung bislang ausgeschlossen schien“.