Bundesgerichtshof: Hebamme muss rechtzeitig Rettungswagen rufen

Bundesgerichtshof: Hebamme muss rechtzeitig Rettungswagen rufen

Karlsruhe (epd). Eine Hebamme muss bei Geburtskomplikationen rechtzeitig den Notarzt rufen. Denn stirbt das ungeborene Kind nach Eintreten der Geburtswehen im Mutterleib, kann bei einem solchen pflichtwidrigen Verhalten Totschlag wegen Unterlassens vorliegen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss (AZ: 6 StR 128/23). Im konkreten Fall erkannten die Karlsruher Richter bei der angeklagten Hebamme aber noch kein strafbares Unterlassen und verwiesen das Verfahren an das Landgericht Verden zur erneuten Prüfung zurück.

Die angeklagte Hebamme war von der Vorinstanz zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe wegen Totschlags durch Unterlassen verurteilt worden. Sie war zunächst in einer Klinik angestellt und machte sich 1998 selbstständig. Danach entwickelte sie laut BGH „tiefgreifende Vorbehalte gegen Krankenhausgeburten“. So riet sie 2014 einer damals 39-jährigen, schwangeren Frau in jedem Fall zu einer natürlichen Hausgeburt.

Als die Frau am 9. Januar 2015 einen Blasensprung hatte und Eröffnungswehen einsetzten, entwickelten sich Geburtskomplikationen. Als die Schwangere nach drei Tagen dann einen stechenden Schmerz verspürte, rief die Hausärztin den Rettungswagen. Spätestens beim Transport in die Klinik verstarb das Kind an Sauerstoffmangel.

Das Landgericht stellte fest, dass die Hebamme trotz der Geburtskomplikationen „in arroganter und selbstüberschätzender Art und Weise“ wegen ihrer Abneigung gegen Krankenhausgeburten nicht rechtzeitig den Rettungswagen gerufen hatte. Damit habe sie sich wegen Totschlags durch Unterlassen schuldig gemacht.

Der BGH hob diese Entscheidung auf. Allerdings komme Totschlag durch Unterlassen und nicht der geringer bestrafte Schwangerschaftsabbruch in Betracht, wenn bereits die Wehen eingesetzt haben.

Von Totschlag durch Unterlassen könne aber nur ausgegangen werden, wenn der Tod des Kindes bei rechtzeitiger Verständigung des Rettungswagens „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden wäre“. Dies sei nach den Feststellungen des Landgerichts nicht der Fall. Denn dieses habe erst für den frühen Morgen des Todestages den Tötungsvorsatz der Angeklagten festgestellt. Zu diesem Zeitpunkt habe nur noch eine „gewisse“ Wahrscheinlichkeit für die Rettung des Kindes bestanden. Das Landgericht müsse daher den Schuldspruch wegen Totschlags durch Unterlassen in Tateinheit mit Körperverletzung noch einmal prüfen.