Berlin (epd). Der leitende Theologe Johannes Wischmeyer sieht für die von Mitgliederverlust geplagte Kirche keinen Widerspruch darin, sich auf die Verkündung des Evangeliums zu konzentrieren und gleichzeitig politisch mitzumischen. Die Kirchen müssten den Glauben gut vermitteln, um der Entwicklung, dass Religion immer mehr Menschen Religion gleichgültig ist, gegenzusteuern, schreibt der Leiter der Abteilung „Kirchliche Handlungsfelder“ im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einem Gastbeitrag für die „Welt“ (Donnerstag, online). Aber das könnten sie nur, wenn sie sich auch an politische Erwartungen der Gesellschaft anpassen, fügt er hinzu.
Wischmeyer bezieht sich auf Äußerungen und Forderungen, die nach der jüngsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung auf der einen Seite eine Rückbesinnung auf das „Kerngeschäft“ der Kirchen bei der Glaubensvermittlung, auf der anderen mehr klare politische Positionierungen forderten. Laut der in der vergangenen Woche veröffentlichten Studie könnte der Mitgliederverlust der Kirchen drastischer vorangehen als bislang prognostiziert. Zudem zeigt die Umfrage, dass in der Gesellschaft nicht nur die Kirchenbindung, sondern die Religiosität allgemein zurückgeht.
Die Kirche bleibe nur akzeptiert, wenn sie sich glaubwürdig auf den gesellschaftlichen Wandel einlasse, schreibt Wischmeyer. Werte wie die Autonomie des Individuums und die Gleichberechtigung von Mann und Frau würden auch für sie gelten.
Mit Blick auf die Ergebnisse der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung schreibt der Theologe, Reformfreudigkeit sei in die gesellschaftlichen Grunderwartungen an die Kirchen „sozusagen schon eingepreist“. „Wer da nicht liefert, sorgt dafür, dass Kirche von der Bildfläche verschwindet - und schadet damit auch dem Glauben“, ist Wischmeyer überzeugt.
Mit bloßer Reformorientierung sei aber noch nichts gewonnen für den kirchlichen Auftrag, das Evangelium von Jesus Christus zu bezeugen, schreibt er weiter und verteidigt den Willen zur Mission: „Wer Probleme damit hat, dass das Wesen des Christentums immer und zu allen Zeiten Mission war, ist bei anderen gesellschaftlichen Gruppen vermutlich besser aufgehoben.“
Zudem betont er, dass die Kirche vor Ort in aller Regel gut im Blick habe, was nötig sei für die Kommunikation des Evangeliums. „Die evangelische Kirche wird vermutlich zwei Gesichter behalten: bodenständig vor Ort und ein wenig weltrettungsmäßig-abgehoben auf der nationalen Wahrnehmungsebene“, resümiert Wischmeyer.