Berlin (epd). Das Recht indigener Völker auf Religionsfreiheit wird nach wie vor massiv verletzt. Das geht aus dem dritten Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit zwischen 2020 und 2022 hervor, der am Mittwoch in Berlin vom Kabinett beraten wurde. Der Beauftragte für dieses Thema, Frank Schwabe (SPD), will sich daher stärker für die Spiritualität und Glaubensformen der Indigenen einsetzen. Man stehe bei dieser Frage „wirklich ganz am Anfang“, betonte er. Die enge Verbindung indigener Völker zu dem angestammten Lebensraum, der auch mit den Ahnen verwoben sei, müsse viel stärker als Teil der Weltanschauungsfreiheit verstanden werden - auch in der Außen- und Entwicklungspolitik.
Weltweit gibt es nach Angaben der Vereinten Nationen schätzungsweise gut 476 Millionen Indigene, die zu mehr als 5.000 eingeborenen und in Stämmen lebenden Gemeinschaften gehören und in mehr als 90 Ländern leben. Sie stellen demnach 6,2 Prozent der Weltbevölkerung. Die UN-Sonderberichterstatterin für Religions- oder Glaubensfreiheit, Nazila Ghanea, sagte, dass indigene Völker in vielen Ländern unverhältnismäßig stark von Gewalt betroffen seien.
In dem Bericht wird auch die Missionstätigkeit unter Urvölkern in den Fokus genommen und betont: „Mission hat im Laufe der Geschichte und bis in die Gegenwart die Rechte indigener Völker massiv verletzt.“ Der Nürnberger Menschenrechtsprofessor Heiner Bielefeldt erläuterte, dass Missionstätigkeit zwar klar Teil der Religionsfreiheit sei, doch nicht ohne Wenn und Aber. Machtasymmetrien krasser Art dürften nicht ausgenutzt werden.
Der Inhaber des Lehrstuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg nannte als Beispiel einen Fall in Paraguay: In dem südamerikanischen Land seien indigene Völker auch von deutschstämmigen Mennoniten zum Teil als Heiden behandelt worden. Bildungsinstitutionen würden dann genutzt, um die Kinder von der Herkunftsreligion ihrer Familien zu entfremden.
Inzwischen sei die Aufmerksamkeit für das Thema enorm gewachsen, fügte er hinzu. Das habe damit zu tun, dass die Ökologie-Krisen in ihrer Dramatik stärker ins Bewusstsein rückten. „Und Ökologie-Krise heißt: Lebensräume indigener Völker verschwinden.“
In dem Bericht heißt es, dass der Schutz und Erhalt der biologischen Vielfalt nur gelingen könne, „wenn indigene Gruppen eine Schlüsselrolle beim Naturschutz erhalten“. Gebiete, die durch sie verwaltet und bewirtschaftet würden, seien „nachweislich in einem besseren Zustand bezüglich biologischer Vielfalt als andere Schutzgebiete“.
Von kirchlicher Seite wurde der Bericht begrüßt. Die Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin, Anne Gidion, bewertete es als „starkes Signal“, dass die Bundesregierung schon einen dritten Bericht zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit vorgelegt habe. Das katholische Hilfswerk missio Aachen hob derweil die oft mehrfache Diskriminierung ethnischer Minderheiten hervor, die zugleich Christen seien. Als Beispiele nannte er die Adivasi in Indien und die Karen in Myanmar.
Der religionspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Rachel (CDU), ermahnte die Regierung, auch weiterhin die Lage der Christen im Blick zu behalten. Denn sie seien „als Angehörige der zahlenmäßig größten Glaubensgemeinschaft weltweit von der Verletzung der Religionsfreiheit besonders betroffen“.