EKD-Ratsvorsitzende Kurschus will Erklärung abgeben

EKD-Ratsvorsitzende Kurschus will Erklärung abgeben
Ein Missbrauchsverdacht gegen einen ehemaligen Kirchenmitarbeiter setzt die EKD-Ratsvorsitzende Kurschus unter Druck. Am Montag will sich die westfälische Präses zum Verdachtsfall und zu Vorwürfen gegen sie selbst äußern.

Bielefeld, Hannover (epd). Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, will sich am Montag in Bielefeld öffentlich zu Vorwürfen im Zusammenhang mit einem Missbrauchsverdacht in ihrem Umfeld äußern. Sie steht wegen der Frage unter Druck, seit wann sie von den Vorwürfen gegen den Beschuldigten weiß. Die Betroffenenvertreter im EKD-Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt äußerten sich besorgt zu dem Fall. Rückendeckung erhielt Kurschus, die auch Präses der westfälischen Kirche ist, am Wochenende von ihrer Landeskirche.

In ihrer Erklärung werde Kurschus Bezug nehmen „auf den Verdachtsfall sexualisierter Gewalt im Evangelischen Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein und insbesondere auf die Vorwürfe gegen ihre Person, die in diesem Zusammenhang medial verbreitet wurden“, hieß es in der Ankündigung der westfälischen Kirche.

Am vergangenen Wochenende waren Missbrauchsvorwürfe gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein öffentlich geworden, in dem Kurschus ab 1993 als Gemeindepfarrerin und Superintendentin tätig war, bevor sie 2012 die erste Frau an die Spitze der westfälischen Kirche wurde. Der Beschuldigte, den Kurschus nach eigenen Angaben sehr gut kennt, soll über Jahre hinweg junge Männer sexuell bedrängt haben.

Die „Siegener Zeitung“ berichtete am Mittwoch, Kurschus sei bereits Ende der 90er-Jahre in einem Gespräch mit mehreren Personen in ihrem Garten über die Vorwürfe sexueller Verfehlungen informiert worden. Zwei Zeugen hätten ihre Darstellungen schriftlich versichert. Vor der in Ulm tagenden EKD-Synode hatte Kurschus dies als „Andeutungen und Spekulationen“ zurückgewiesen. Sie wisse erst seit Anfang dieses Jahres durch eine Anzeige von den Missbrauchsvorwürfen.

Die Betroffenenvertreter im EKD-Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt zeigten sich in einer Erklärung „in höchstem Maße besorgt, dass die Darstellung der Ratsvorsitzenden der EKD in einer entscheidenden Frage von der anderer Personen abweicht“. Ihre Glaubwürdigkeit sei infrage gestellt. Die EKD erklärte, der Rat habe in den vergangenen Tagen mehrfach mit und ohne Kurschus getagt. Er bekenne sich „zu dem schwierigen und langen Weg der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie“.

Rückendeckung erhielt Kurschus unterdessen aus der westfälischen Kirche. Jetzt erhobene Rücktrittsforderungen halte er für „unangemessen“, schrieb Michael Bertrams, früherer NRW-Verfassungsgerichtspräsident und nebenamtliches Mitglied der westfälischen Kirchenleitung, in einem Beitrag für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Samstag, online). Es sei ihm „ein großes Bedürfnis, Annette Kurschus in voller Übereinstimmung mit sämtlichen Mitgliedern der Kirchenleitung öffentlich meine und unser aller Solidarität zu bekunden“.

Die Staatsanwaltschaft Siegen sieht in dem möglichen Missbrauchsfall bislang keine strafrechtliche Relevanz, weil die mutmaßlichen Opfer nach derzeitiger Kenntnis zum fraglichen Zeitpunkt volljährig waren und die Vorfälle lange zurückliegen. Allerdings werde voraussichtlich in der kommenden Woche eine weitere Person vernommen, sagte ein Sprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Am kommenden Freitag und Samstag kommt die Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen in Bielefeld zu zweitägigen Beratungen zusammen. Als Präses der westfälischen Kirche hat Kurschus auch den Vorsitz des Kirchenparlaments.