Kirchenbindung und Religiosität nehmen schneller ab als erwartet

Kirchenbindung und Religiosität nehmen schneller ab als erwartet
Eine Studie belegt, was sich mit der Rekordzahl an Kirchenaustritten schon deutlich zeigt: Religiosität und Kirchenbindung in der Gesellschaft nehmen ab. Die Kirche verliert schneller an Bindungskraft als bislang erwartet.

Ulm (epd). Kirchenbindung und Religiosität der Deutschen schwinden schneller als bislang erwartet. Das ist ein zentrales Ergebnis der sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, die die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Dienstag in Ulm bei der Tagung der EKD-Synode veröffentlicht hat. Nach derzeitigem Trend werde der Anteil der christlich-konfessionell gebundenen Menschen in Deutschland schon im nächsten Jahr unter 50 Prozent sinken.

Die Konfessionslosen werden voraussichtlich Ende der 2020er Jahre die 50-Prozent-Marke überschreiten und damit auch die absolute Bevölkerungsmehrheit stellen, wie Christopher Jacobi, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD bei der Vorstellung der Studie den 128 Delegierten des Kirchenparlaments erläuterte. Die Erhebung kommt außerdem zu dem Schluss, dass die vor vier Jahren durch eine andere Studie prognostizierte Halbierung der Mitgliederzahl in der evangelischen Kirche bis 2060 bereits in den 2040er Jahren erreicht sein dürfte. Nur 27 Prozent der befragten Katholiken schließen einen Kirchenaustritt derzeit aus. Bei den Evangelischen sind es 35 Prozent. Vor rund zehn Jahren bei der vorangegangenen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung waren es noch 74 Prozent.

Derzeit ist laut der Studie noch eine knappe Mehrheit der Deutschen christlich-konfessionell gebunden. Zähle man die Mitglieder aller christlichen Konfessionen, auch der Orthodoxen und Freikirchen, zusammen, machte deren Bevölkerungsanteil Ende 2022 52 Prozent aus.

Religiöse Menschen sind laut Studie in der Gesellschaft schon heute deutlich in der Minderheit. 13 Prozent der Befragten verstehen sich als kirchlich-religiös, 25 Prozent als religiös-distanziert, 56 Prozent sind Säkulare, denn auch unter den Kirchenmitgliedern verstehen sich nicht alle als religiös.

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung sagte, die stetige und teils schleichende Abkehr der Menschen von der Kirche sei mit der Erwartung verbunden, dass sich die Kirche verändere. 80 Prozent der evangelischen Kirchenmitglieder plädieren laut Studie für Veränderungen. Das allein sei aber noch keine Handlungsanleitung, sagte Jung, der Vorsitzender des Beirats der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung und Mitglied im Rat der EKD ist. Über die Konsequenzen aus den Ergebnissen müsse nun beraten werden.

Seit 1972 erscheint etwa alle zehn Jahre die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. Sie ist eine religionssoziologische Studie, die Einstellung zu Religion und Kirche in der Bevölkerung untersucht. In der aktuellen Studie wurden erstmals auch repräsentative Ergebnisse für katholische Kirchenmitglieder mit erhoben. Die Befragung fand zwischen Oktober und Dezember 2022 durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa statt. Insgesamt wurden 5.282 Personen befragt. Die Studie entstand unter Federführung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, die katholische Deutsche Bischofskonferenz war erstmals daran beteiligt.