Berlin (epd). Sachverständige befürchten in den kommenden Jahren wachsende Versäumnisse Deutschlands beim Klimaschutz. Grund sind die geplanten Änderungen am Klimaschutzgesetz sowie unzureichende Maßnahmen zur CO2-Minderung. Bei zwei öffentlichen Ausschuss-Anhörungen am Mittwoch im Bundestag in Berlin mahnten die Fachleute eine zentrale Rolle des Bundeskanzlers beim Klimaschutz an, eine langfristige Finanzierung für kommunale Klimamaßnahmen und ein Klimageld für die Bevölkerung. Die Rechtsanwältin Roda Verheyen warnte im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, dass die aktuellen Pläne der Regierung verfassungsrechtlich „ausgesprochen problematisch“ seien.
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP will mit einer Änderung des Klimaschutzgesetzes die bisherigen strengen jährlichen Sektorziele abschaffen. Anstelle des zuständigen Ministeriums muss künftig die Bundesregierung insgesamt gegensteuern, wenn der Treibhausgasausstoß zu hoch war - und das erst nach zwei aufeinanderfolgenden Jahren. Die Gesetzesänderung ist ein Zugeständnis an die FDP, deren Verkehrsminister Volker Wissing trotz verfehlter Ziele für den Verkehrssektor kein hinreichendes Sofortprogramm vorgelegt hat.
Anwältin Verheyen verwies auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021, wonach die Hauptlast im Kampf gegen den Klimawandel nicht künftigen Generationen aufgebürdet werden darf. Grundlage des Gerichtsbeschlusses sei die Idee gewesen: keine Verschiebung von Reduktionslasten in die Zukunft. „Und genau das passiert.“
Um das Ziel für 2030 zu erreichen, den deutschen Treibhausgas-Ausstoß um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu mindern, sind nach Ansicht der meisten Fachleute noch deutlich mehr Maßnahmen nötig. Der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Gerald Haug, sprach sich ebenso wie Tobias Pforte-von Randow vom Deutschen Naturschutzring für eine stärkere steuernde Rolle des Kanzlers aus. Klimaforscher Haug ging nicht davon aus, dass die Gesetzesnovelle helfen wird, die bestehende Emissionslücke zu schließen. „Es wird wahrscheinlich eher das Gegenteil der Fall sein.“
Die Kommunalverbände pochten darauf, dass Bund und Länder den Klimaschutz sowie die Anpassung von Städten und Gemeinden an die Auswirkungen der Erderwärmung mitfinanzieren. Der Deutsche Städtetag, der Städte- und Gemeindebund und der Landkreistag forderten bei Anhörungen im Klimaschutz-Ausschuss sowie im Umweltausschuss langfristige Finanzierungszusagen. Andernfalls werde der Umbau nicht gelingen. Vor Ort fehle es an Geld und Personal, erklärten die Verbände. Die Anhörung im Umweltausschuss befasste sich mit einem Entwurf zum sogenannten Klimaanpassungsgesetz.
Die Klima-Allianz Deutschland, in der sich 150 Klima- und Sozialverbände zusammengeschlossen haben, bekräftigte die Kritik der Kommunen. Sie forderte, die Klimaanpassung im Gesetz als Gemeinschaftsaufgabe zu verankern, um Bund und Länder zur finanziellen Unterstützung zu verpflichten. Das Grundgesetz lässt eine gemeinsame Finanzierung bislang nicht zu.
Die Anpassungsmaßnahmen sind nötig, weil die Erderhitzung bisher nicht aufgehalten wird. Um massive Schäden an der Infrastruktur und negative Folgen für die Gesundheit zu verhindern, müssen die Kommunen Vorsorge für den Umgang mit Starkregen, Hitze und Dürre treffen. Einer aktuellen Prognos-Studie zufolge kommen auf Deutschland je nach Ausmaß der Erderwärmung bis 2050 Folgekosten des Klimawandels von bis zu 900 Milliarden Euro zu.