Tangerhütte (epd). Gegen die Umbenennung der Kindertagesstätte „Anne Frank“ in Tangerhütte (Sachsen-Anhalt) formiert sich immer mehr Widerstand. Der Vorsitzende des Stadtrates, der CDU-Politiker Werner Jacob sagte der Zeitung „Die Welt“ (Montag), die Fraktionsvorsitzenden würden eine Namensänderung zurückweisen. „Am Mittwoch wird sich der Stadtrat einstimmig gegen das Ansinnen einer Umbenennung der Kita positionieren“, sagte Jacob.
Die Behauptung der Kita-Leitung, der Name Anne Frank sei ungeeignet und Kindern schwer vermittelbar, zeuge „eher von einer Geschichtsvergessenheit der Verantwortlichen“, heißt es laut „Welt“ in einer Stellungnahme der Stadtratsfraktionen. Jacob sagte demnach, die Kita-Leitung sei neu und habe ein neues pädagogisches Konzept umsetzen wollen. Hinter dem Ansinnen steckten nach seiner Auffassung politische Naivität und Geschichtslosigkeit.
Laut Stadtverwaltung ist die Initiative zur Umbenennung von Eltern und Mitarbeitern der Kita ausgegangen. Einen formellen Antrag zur Umbenennung hat es laut Jacob aber bisher nicht gegeben. Der Stadtrat hätte diesen Schritt ohnehin abgelehnt, betonte er. Der Stadtrats-Vorsitzende kritisierte zudem den Tangerhütter Bürgermeister Andreas Brohm (parteilos). Dieser hätte die erinnerungspolitische Bedeutung eines solchen Schritts erkennen und von vorneherein die Namensänderung abräumen müssen.
Der Bürgermeister erklärte am Montag in einer Stellungnahme, eine Entscheidung über eine Namensänderung stehe derzeit nicht an. Mittelfristig werde auch die aktuell öffentlich geführte Diskussion um die Namensgebung in die Debatte mit einfließen, so Brohm. Tangerhütte stehe für ein weltoffenes Deutschland, das sich gleichzeitig seiner historischen Verantwortung genauso bewusst sei wie seinem Bildungsauftrag.
Die Kita sollte künftig „Weltentdecker“ heißen. Hintergrund ist laut Brohm, dass die Kita einen Erneuerungsprozess durchlaufen habe. Anfang des Jahres sei die Diskussion aufgekommen, diese Konzeptionsänderung durch einen anderen Namen nach außen hin sichtbar zu machen. Kita-Leiterin Linda Schichor sagte der Magdeburger „Volksstimme“ (Freitag), die Geschichte von Anne Frank sei für kleine Kinder sowie für Eltern mit Migrationshintergrund schwer fassbar.
An den Plänen hatte es breite Kritik gegeben. Unter anderem hatte der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, am Sonntag in einem offenen Brief die Pläne kritisiert. Wenn man die eigene Geschichte gerade in Zeiten von neuem Antisemitismus und Rechtsextremismus so leichtfertig abzuräumen bereit sei, könne einem im Blick auf die Erinnerungskultur nur angst und bange werden, sagte Heubner.
Anne Frank (1929-1945) wurde als Kind deutsch-jüdischer Eltern in Frankfurt am Main geboren. Von 1942 bis 1944 tauchte die Familie vor den Nationalsozialisten in den Niederlanden unter, wo Anne intensiv Tagebuch führte. Anne und ihre ältere Schwester Margot starben 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen, die Mutter wurde in Auschwitz ermordet. Vater Otto Frank veröffentlichte nach Kriegsende das Tagebuch, das zu einem Weltbestseller wurde.