Theologen: Abtreibungen nicht primär strafrechtlich betrachten

Theologen: Abtreibungen nicht primär strafrechtlich betrachten

Berlin (epd). In der Debatte um die mögliche Neuregelung des Abtreibungsrechts haben sich führende evangelische Theologinnen und Theologen dafür ausgesprochen, Schwangerschaftsabbrüche nicht primär als strafrechtlich zu sanktionierendes Problem zu betrachten. Die Gesellschaft als Ganze sei nie aus ihrer Verantwortung entlassen, für den Lebensschutz und damit primär für familienfreundliche und unterstützende Rahmenbedingungen Sorge zu tragen, schreiben die Theologinnen und Theologen in einem Online-Beitrag des evangelischen Magazins „Zeitzeichen“, der am späten Mittwochabend veröffentlicht wurde. Die Verantwortungslast dürfe deshalb nicht einfach auf den Schultern einer schwangeren Person liegen, und das auch noch so, „dass umstandslos mit dem Strafrecht als Drohkulisse gewunken wird, um ein sachgerechtes Verhalten einzufordern“.

Autoren des Beitrags sind Petra Bahr, die Mitglied des Ethikrats ist, der ehemalige Vorsitzende des Ethikrats Peter Dabrock, der Theologe und Ethiker, Reiner Anselm, und der Vizepräsident des Kirchenamts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Stephan Schaede. Der Beitrag versteht sich als theologische Ausführung zu einer Stellungnahme des Rates der EKD für die Kommission der Bundesregierung, die eine mögliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts prüfen soll. Darin hatte sich die EKD Mitte Oktober für eine teilweise Regelung außerhalb des Strafrechts ausgesprochen, wonach Abtreibungen bis zur 22. Schwangerschaftswoche nach vorheriger verpflichtender Beratung straffrei bleiben könnten.

In dem Beitrag heißt es, es gehe nicht an, die Aufgabe des Lebensschutzes in strafrechtliche und medizinische Kontexte und auf Einzelschicksale von betroffenen schwangeren Personen abzuschieben. Schwangere Frauen und Paare müssten Bedingungen vorfinden, die es ihnen ermöglichen, sich auch dann für ein Kind entscheiden zu können, wenn die Schwangerschaft ungeplant sei oder sich die Perspektiven der Frau oder des Paares im Laufe der Schwangerschaft verändert hätten, etwa durch wirtschaftliche Not, Partnerverlust oder auch pränataldiagnostische Befunde.

Die Autoren betonen, das in der schwangeren Frau heranwachsende menschliche Leben habe von Beginn an ein Lebensrecht. Werde diesem menschlichen Leben das Lebensrecht streitig gemacht, stelle sich unweigerlich die Schuldfrage. Eine Gesellschaft, die trotz einer im weltweiten Vergleich weit überdurchschnittlichen ökonomischen Lage, trotz Mahnungen der Sozialverbände, Kirchen und des Verfassungsgerichts, nach wie vor nicht die Rahmenbedingungen geschaffen habe, um die seit langem nahezu konstant hohe Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen radikal zu reduzieren, mache sich theologisch gesehen vor Gott schuldig.