Demografie-Experte: "Neue Alte brauchen neue Begegnungsorte"

Demografie-Experte: "Neue Alte brauchen neue Begegnungsorte"
02.11.2023
epd
epd-Gespräch: Evelyn Sander

Hamburg (epd). In den kommenden Jahren braucht es nach Auffassung des Demografie-Experten David Menn neue Begegnungsorte für ältere Menschen. „Soziale Beziehungen und Teilhabe sind für ein gutes Leben im Alter unabdingbar“, sagte Menn, Programm-Manager der Hamburger Körber-Stiftung, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Öffentliche Begegnungsorte könnten Stadtteilzentren, Schwimmbäder, Bibliotheken oder Cafés sein. „Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist es wichtiger denn je, dass Kommunen passende Orte für Ältere schaffen“, sagte der Fachmann.

Mit dem Ende der Erwerbstätigkeit fielen die Kontakte am Arbeitsort weg. Wenn gleichzeitig Kinder auszögen und das Zuhause einsamer werde, müsse es öffentliche Orte der Begegnung geben. „Ohne soziale Beziehungen und Austausch mit Mitmenschen drohen Einsamkeit und soziale Isolation“, sagte der Experte. „Mit der Alterung der Babyboomer-Generation wird die Zahl der von Einsamkeit gefährdeten Älteren drastisch zunehmen“, sagte der 32-Jährige. Attraktive Treffpunkte seien hier eine wichtige Prävention und würden die Lebensqualität älterer Menschen verbessern.

„Der klassische Seniorentreff mit Kaffee und Kuchen ist ein Auslaufmodell“, erklärte Menn. Insbesondere die Babyboomer-Jahrgänge würden sich ungern als Seniorinnen oder Senioren identifizieren, selbst wenn sie schon in Rente seien. Sie interessieren sich nach Menns Worten für Treffpunkte, die zum aktiven Mitwirken einladen, Freiraum für Austausch, Kreativität, Lernen und neue Ideen bieten. „Hier müssen viele Kommunen nachbessern“, sagte der Demografie-Experte.

Oft könnten bereits bestehende Orte wie Gaststätten, Geschäfte oder Cafés kreativ genutzt werden. Der niederländische Architekt Aat Vos habe sich darauf spezialisiert, Bibliotheken als neue städtische „Wohnzimmer“ ganzer Quartiere zu konzipieren. Die Bücherhallen Hamburg setzten auf literarische Spaziergänge, Vorlesenachmittage und Lesecafés für ältere Menschen.

Manche Bürgerhäuser und soziokulturelle Zentren lüden Ältere dazu ein, sich zu engagieren, selbst Kurse anzubieten, ein Café zu bewirtschaften oder sich um Kinder zu kümmern. „Es ist eine Herausforderung, Ehrenamtliche für die Treffpunkte zu gewinnen“, sagte Menn.

Altersfreundliche Orte sollten nicht komplett durchstrukturiert, sondern offen für Ideen sein. „Kommunen fällt es meist etwas schwer, Anarchie zuzulassen“, beobachtet Menn. Die Orte sollten unvorhergesehene Begegnungen auch mit anderen Kulturen oder auch nur entspanntes Zuschauen ermöglichen. Menn: „Die Orte sollten dazu einladen, hinzugehen und sich überraschen zu lassen.“