Hannover, München (epd). Im Streit um den Umgang mit Antisemitismus in Deutschland hat der jüdische Verbandschef Michael Fürst aus Niedersachsen den bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) deutlich kritisiert. „Herr Aiwanger hat offensichtlich nichts gelernt“, sagte der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen am Donnerstag in Hannover bei der Vorstellung eines neuen Internet-Portals. „Denn wenn er etwas gelernt hätte, dann hätte er das Problem ganz anders angefasst, und es wäre anders und gut erledigt worden.“
Aiwanger (52) steht seit Tagen wegen eines antisemitischen Flugblattes unter Druck, das in seiner Schulzeit in seiner Tasche gefunden wurde. Er bestreitet, der Urheber zu sein. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe erklärte Aiwangers Bruder Helmut, er habe das Flugblatt verfasst. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will seinen Stellvertreter und Wirtschaftsminister trotz breiter öffentlicher Kritik im Amt belassen, weil eine Entlassung angesichts der Beweislage nicht verhältnismäßig sei.
Fürst zeigte sich besorgt darüber, dass die Verharmlosung von Antisemitismus in der Gesellschaft offensichtlich immer salonfähiger werde. „Wenn wir sehen, wie stark die Freien Wähler nach dieser Affäre Aiwanger auf einmal werden, ist das nicht nur bedenklich, es ist fürchterlich.“ Die Entwicklung zeige, wie stark rechtslastiges Gedankengut in Deutschland noch verbreitet sei. Am Mittwochabend war bekannt geworden, dass sich Aiwanger und der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, zu einem Gespräch treffen wollen.