Das Papier, das aktuell überprüft wird, habe allerdings nicht mit einem Aggressor wie Putin gerechnet, sagte Meister. Noch vor einigen Monaten habe er Kirchengemeinden in der Ukraine besucht und bereits zu jener Zeit überall die schlimmen Verheerungen des russischen Angriffs erlebt. "Heute könnte ich nicht einmal mehr nach Odessa fahren. Es fallen täglich Bomben, Putin nimmt keinerlei Rücksicht und bombardiert gezielt zivile Einrichtungen, Krankenhäuser und Kirchen. Das Böse bricht sich dort in furchtbarer Weise Bahn", sagte der Bischof.
Die EKD-Denkschrift dokumentiere die schon damals vorhandene Einsicht, "dass die Welt leider nicht ohne Waffen auskommen kann, weil mit dem Bösen im Menschen gerechnet werden muss." Weiter zugespitzt habe sich angesichts eines inzwischen langen und zermürbenden Krieges allerdings die Rolle und die Verantwortung der nicht unmittelbar am Krieg beteiligten Parteien wie der Nato. "Ein vergleichbar starkes Dilemma, wie die Frage, wie wir der Ukraine bei der Selbstverteidigung beistehen können, ohne dabei weitere Aggressionen Russlands bis hin zu einem Atomschlag zu schüren, bestand damals noch nicht", hob Meister hervor.
"Dieser Krieg weckt ein neues Maß an Überforderung"
Es sei äußerst anspruchsvoll, "den richtigen Punkt zwischen zu viel und zu wenig militärischem Engagement" zu treffen, die Ukraine einerseits nicht im Stich zu lassen, den Krieg durch Interventionen Dritter anderseits nicht weiter zu eskalieren. "Dieser Krieg weckt ein neues Maß an Überforderung", erklärte Meister. Deshalb sei es richtig, dass die EKD-Friedensdenkschrift unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges neu bewertet werde.
Die EKD-Synode hatte im Herbst vergangenen Jahres beschlossen, ihre friedensethischen Positionen zu überdenken. Eine sogenannte Friedenswerkstatt soll bis 2025 eine überarbeitete Fassung der Denkschrift vorlegen. Das Papier "Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen" entstand unter maßgeblicher Initiative des damaligen EKD-Ratsvorsitzenden, des Theologen und Sozialethikers Wolfgang Huber. Es stellt klar, dass zur Wahrung und Wiederherstellung des Rechts auch der Einsatz militärischer Gewalt ethisch legitimierbar ist, militärische Mittel seien aber nur als ultima ratio einzusetzen. Es gelte der Primat der friedlichen Konfliktlösung.