München (epd). Verfassungsexperten haben die Bundesregierung zu mehr Klimaschutz aufgerufen. Energische und wirksame Schritte zur Reduktion des CO2-Ausstoßes seien von „größter Wichtigkeit für die Erhaltung der Grundlagen eines menschenwürdigen Lebens“, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief, der von 60 Expertinnen und Experten für Verfassungsrecht und Völkerrecht unterzeichnet wurde.
Das Bundesverfassungsgericht habe im März 2021 klargestellt, dass das Grundgesetz zu wirksamen Maßnahmen gegen die Erderwärmung verpflichte, heißt es in dem Schreiben. Hierfür seien im Bundes-Klimaschutzgesetz konkrete Ziele sowie Mechanismen festgelegt.
Gegenwärtig sei aber eine Novelle geplant, die die sektorspezifischen Ziele schwäche. Damit seien die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts in Gefahr. Diese verlangten, „dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln“.
Die Expertinnen und Experten warnten auch davor, dass die Debatten zum Klimaschutz derzeit von Diskussionen über Protestformen überlagert würden. Die Forderungen nach einer Verschärfung straf- und polizeirechtlicher Reaktionen seien „beunruhigend und in vielen Fällen verfassungsrechtlich fragwürdig“. Das Versammlungsrecht schütze auch Protestformen, die „disruptiv wirken und von der Mehrheit als Störung empfunden werde“.
Zu den Unterzeichnenden zählen unter anderem Susanne Baer, bis Februar 2023 als Verfassungsrichterin in Karlsruhe berufen, Felix Ekardt und Remo Klinger, beide Beschwerdeführer im Klimaurteil 2021, sowie Anna Katharina Mangold, Professorin für Europa- und Völkerrecht an der Universität Flensburg. Veröffentlicht wurde der Brief auf dem „Verfassungsblog“, einem Blog zur Debatte über Verfassungsrecht.