Bad Arolsen (epd). Die massiven Vorwürfe wegen Mobbings, Machtmissbrauchs und Vetternwirtschaft gegen die Leitung der Arolsen Archives sollen keine personellen Konsequenzen haben. Der Internationale Ausschuss, das Aufsichtsgremium des renommierten NS-Dokumentationszentrums, teilte am Freitagnachmittag mit, vertrauensbildende Maßnahmen könnten die weitere Zusammenarbeit von Direktion und Belegschaft ermöglichen. Der Untersuchungsbericht der Anwaltskanzlei Göhmann habe „keine arbeitsrechtlich oder strafrechtlich relevanten Pflichtverletzungen der Direktion festgestellt“.
Bereits am Mittwoch hatte der Internationale Ausschuss über den Bericht beraten. Der Rechtsanwalt Daniel Vogel, der als Sprecher ehemaliger Mitarbeiter im Frühjahr die Vorwürfe gegen die Arolsen-Direktorin Floriane Azoulay und ihren Stellvertreter öffentlich gemacht hatte, zeigte sich entsetzt über die Entscheidung: „Das macht mich bei meinem Kenntnisstand fassungslos.“ Mindestens 35 Personen hätten der Kanzlei Göhmann über Mobbing-Erfahrungen, Bedrohungen und andere Missstände berichtet, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Vogel äußerte Zweifel, ob es bei der Untersuchung tatsächlich darum gegangen sei, die Vorfälle aufzuklären. Zahlreiche Ex-Beschäftigte wollten nun vor Gericht gehen, er persönlich rate auch zu Strafanzeigen. Ein Arbeitsgerichtsverfahren in Berlin sei bereits auf den November 2023 terminiert.
Bereits im Juli war bekanntgeworden, dass der Untersuchungszeitraum für den Bericht stark eingeschränkt wurde - auf die beiden zurückliegenden Jahre. Gründe für die Entscheidung wurden öffentlich bislang nicht genannt. Ursprünglich war davon ausgegangen worden, dass Azoulays gesamte Amtszeit seit 2016 untersucht würde.
Rechtsanwalt Vogel hatte im März ein Dossier mit den Vorwürfen von 25 aktiven und ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Arolsen Archives an Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) geschickt. Darin werden Willkür, Demütigungen und reihenweise Kündigungen kompetenter und hochqualifizierter Angestellter durch die Direktion beschrieben. Beschäftigte beklagten eine „toxische Arbeitsatmosphäre“ und eine „Kultur der Angst“.
Die Arolsen Archives sind das internationale Zentrum zur NS-Verfolgung mit dem weltweit umfassendsten Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Die Sammlung mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Menschen gehört zum Unesco-Weltdokumentenerbe. Der Internationale Ausschuss wird von Vertretern der Regierungen von elf Mitgliedsländern bestellt. Der Vorsitz wechselt jährlich.