Berlin, Guatemala-Stadt (epd). In Guatemala waren am Sonntag 9,3 Millionen Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen, in einer Stichwahl ein neues Staatsoberhaupt zu bestimmen. In der zweiten Runde des Präsidentschaftsrennens traten der Linkskandidat Bernardo Arévalo und Sandra Torres von der zentralistischen UNE-Partei gegeneinander an. Umfragen zufolge galt Arévalo, der für die Antikorruptionspartei „Movimientio Semilla“ antritt, als klarer Favorit.
Torres und Arévalo waren aus dem ersten Wahlgang am 25. Juni als stärkste Kandidaten hervorgegangen. Der amtierende Präsident Alejandro Giammattei durfte verfassungsgemäß kein zweites Mal antreten.
Die „Movimiento Semilla“ (Samenkornbewegung) Arévalos entstand aus Protesten, die sich 2015 gegen kriminelle Machenschaften von Politikern, Unternehmern und Militärs richteten. Damals hatte sich eine eigens gegründete UN-Kommission für die Aufklärung der Korruption in dem mittelamerikanischen Land eingesetzt. Der Kampf gegen korrupte Strukturen ist auch zentrales Wahlversprechen des 64-jährigen Arévalo. Er kann vor allem auf Unterstützung der städtischen Bevölkerung zählen.
Die 67-jährige UNE-Kandidatin Torres tritt bereits zum dritten Mal für das Präsidentschaftsamt an. Als First Lady des Staatschefs Álvaro Colom (2008 - 2012) war die damalige Sozialdemokratin in der armen Bevölkerung beliebt. Heute fährt sie einen konservativen Kurs und vertritt eine repressive Sicherheitspolitik. Sie erhält starke Unterstützung aus der ländlichen Bevölkerung.
Konservative Kräfte des mittelamerikanischen Landes hatten nach dem ersten Wahlgang versucht, Arévalos Teilnahme an der Stichwahl zu verhindern. Auf Drängen von neun Parteien veranlasste das Verfassungsgericht wegen angeblicher Ungereimtheiten eine Neuauszählung der Stimmen des Urnengangs vom Juni, die aber keine Änderungen des Ergebnisses ergab. Zudem forderte eine Staatsanwaltschaft, der „Movimiento Semilla“ den Rechtsstatus als Partei abzuerkennen. Auch dieser Versuch scheiterte. Bereits vor dem ersten Wahlgang wurden drei oppositionelle Kandidaten von den Wahlen ausgeschlossen.