Heidelberg (epd). Gegen Erschöpfung hilft nach Ansicht des Heidelberger Psychologen Jörg Berger die Kunst des Weglassens. „Man muss nicht alles mitmachen, was erschöpft“, sagt der Psychotherapeut und Buchautor dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eine Schlüsselfrage sei: „Tut mir das wirklich gut? Man kann sich auch fragen: Muss ich das alles erreichen, wissen, können oder haben?“ So könne man das Leben mehr in Einklang mit seinen eigenen Wünschen und Zielen bringen.
Beispielsweise im Bereich der Beziehungen solle man sich an den eigenen zentralen Bedürfnissen orientieren. Selbst bei Familienmitgliedern, Arbeitskollegen und Nachbarn habe man Spielräume, „wie viel Nähe man zu wem eingeht“. In Paarbeziehungen oder Freundschaften sei man frei, wen man in sein Leben lasse. Berger: „Wer sind die Menschen, die mir guttun, welche kosten mich Energie?“ Man habe auch die Möglichkeit, Nein zu sagen oder sich zu einem anstrengenden Menschen etwas mehr Abstand zu erlauben.
Zudem könne die Digitalisierung zur Erschöpfung führen: „Das digitale Leben kommt ja zu unserem analogen Leben hinzu, das wir auch noch führen wollen und müssen.“ Dies könne zur nervlichen Überreizung führen, allein durch die sozialen Medien. Das Erschöpfungsrisiko sei hier hoch, „auch für Menschen, die unter anderen Bedingungen nicht zur Erschöpfung neigen.“
Berger warnte davor, erschöpften Menschen Strategien anzubieten, die sie zusätzlich belasten: „Ausdauersport oder Entspannungsübungen können bei Erschöpfung hervorragend helfen. Aber das hilft erschöpften Menschen oft nicht. Wo sollen sie das in ihrem ohnehin vollen, erschöpften Leben noch unterkriegen?“ Man müsse die Realitäten der heutigen Gesellschaft akzeptieren, räumte Berger ein. Dennoch mache es oft einen dramatischen Unterschied, „wenn Menschen die Freiheitsgrade erkennen, die sie haben.“