Kabinett bringt Beschneidungsgesetz auf den Weg

Kabinett bringt Beschneidungsgesetz auf den Weg
Juden und Muslime sollen ihre Söhne weiter beschneiden dürfen. So will es die Bundesregierung, die am Mittwoch einen entsprechenden Gesetzentwurf beschloss. Jetzt ist der Bundestag am Zug. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) begrüßte den Entwurf.

Das Gesetz zur religiösen Beschneidung von minderjährigen Jungen ist auf den Weg gebracht. Am Mittwoch billigte das Bundeskabinett den Gesetzentwurf, wonach Juden und Muslime ihre Söhne weiter beschneiden lassen dürfen, wenn dies fachgerecht und mit möglichst wenig Schmerzen erfolgt. Vertreter der beiden Religionsgemeinschaften begrüßten den Beschluss. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte den Bundestag auf, jetzt zügig über die Regelung zu beraten.

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Die Ministerin erklärte in Berlin, der Kabinettsbeschluss trage dazu bei, "dass wieder mehr Rechtssicherheit eintreten wird". Juden und Muslime waren verunsichert, nachdem das Kölner Landgericht die religiöse Beschneidung als Körperverletzung gewertet hatte. Das Beschneidungsgesetz stelle klar, "dass wir die Ausübung der Religionen wollen", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. In Deutschland werde somit ein Leben für Juden und Muslime möglich sein.

Nach dem Gesetzentwurf soll im Sorgerecht ein Paragraf eingefügt werden, wonach Eltern in den Eingriff einwilligen können, auch wenn er nicht medizinisch notwendig ist. Bedingung ist die fachgerechte Anwendung "nach den Regeln der ärztlichen Kunst", eine umfassende Aufklärung, eine effektive Schmerzbehandlung sowie die Berücksichtigung des Kindeswohls und - soweit möglich - des Willens des einzelnen Jungen.

Auch ohne Mitwirkung eines Arztes möglich

Die religiöse Motivation wird ausdrücklich nicht zur Bedingung gemacht. Trotzdem wird die besondere Praxis von Juden, die den Eingriff oftmals von einem Beschneider (Mohel) vornehmen lassen, berücksichtigt. In den ersten sechs Monaten nach der Geburt kann dem Entwurf zufolge auch weiterhin eine Person, die nicht Arzt ist, beschneiden, solange dies fachgerecht geschieht.

Kritik an dieser Regelung kommt vom Mainzer Medizinethiker Ilhan Ilkilic. Der Passus scheine ihm allein für Juden gemacht, sagte Ilkilic dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bei Muslimen würden die Jungen meist erst später beschnitten. Für sie bedeute dies also einen Nachteil. Ilkilic sprach sich dafür aus, ausschließlich Ärzten den Eingriff zu erlauben.

Zustimmung von Juden und Muslimen

Der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, lobte dagegen in der "Rheinischen Post" (Mittwoch) die Gesetzespläne: "Das ist ein ausgesprochen lebenskluger, ausgewogener und fairer Gesetzentwurf." Der Entwurf bedeute das Aufrechterhalten der Religionsfreiheit und damit auch Rechtsfrieden, sagte der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, der Zeitung.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) begrüßte den Entwurf. Damit werde klargestellt, dass die Entscheidung jüdischer oder muslimischer Eltern, einen Jungen beschneiden zu lassen, Teil der elterlichen Sorge sei, sagte der Präsident des EKD-Kirchenamtes, Hans Ulrich Anke, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Nach den Irritationen, die das Urteil des Kölner Landgerichts ausgelöst hat, entspreche die angestrebte gesetzliche Regelung der jahrzehntelangen Rechtspraxis in der Bundesrepublik.

Elterliche Sorge für die Religion

Der Gesetzesvorschlag berücksichtige, dass es zur elterlichen Sorge gehöre, ein Kind in das religiöse Leben der Familie hinein zu nehmen. Zugleich ziehe der Entwurf die notwendigen Grenzen für den Schutz des Kindes, sagte Anke. So werde auf eine fachgerechte, medizinischen Standards gewährleistende Beschneidungspraxis abgestellt und auch der gegebenenfalls entgegenstehende Kindeswille berücksichtigt.

Fragen ergeben sich dem Kirchenamtspräsidenten zufolge allerdings, wie in der Praxis die Einhaltung der medizinischen Standards gewährleistet werde. Der Jurist gab zu bedenken, wirksamer wäre es gewesen, Regelungen zur Schmerzbehandlung sowie zu Aufklärung der Eltern in den Gesetzestext und nicht nur in dessen Begründung aufzunehmen. Dies gelte insbesondere für den "Sondertatbestand", wonach auch nicht ärztlich ausgebildete Personen innerhalb der ersten sechs Lebensmonate eines Knaben die Beschneidung vornehmen können. Dies erfordere eine ordnungsgemäße Ausbildung und Anmeldung der religiösen Beschneider.

Ethikrat: guter Kompromiss

Der Deutsche Ethikrat lobte die Regelung für die Beschneidung von Jungen als guten Kompromiss. Das Gesetz ermögliche die Beschneidung aus religiösen Gründen, schreibe aber hohe medizinische Standards vor, sagte der Vize-Vorsitzende, Peter Dabrock, der "Freien Presse" in Chemnitz (Donnerstagsausgabe). Das Gesetz sei stark am Kindeswohl ausgerichtet und schaffe zugleich Rechtssicherheit für Eltern. Die Hilfsorganisation "Terres des Femmes", die Deutsche Kinderhilfe und der Verein "Mogis" für Missbrauchsopfer kritisierten den Beschluss erneut mit Verweis auf die Kinderrechte.

Der Entwurf muss jetzt im Bundestag beraten werden. Das Parlament hatte zu Beginn der Debatte über Beschneidung die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Erlaubnis der Beschneidung unter Voraussetzungen vorzulegen. Inzwischen sind dort aber auch kritische Stimmen laut geworden. Unter anderem lehnen die Kinderrechtspolitiker der Opposition die Pläne ab.