Sorge über Umfragehoch der AfD

Sorge über Umfragehoch der AfD
Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio: "AfD ist nicht konservativ"
In Umfragen hatte die AfD zuletzt teils deutlich zugelegt. Erneut diskutieren Politik und Gesellschaft über die Ursachen für die derzeitige Stärke der Partei.

Frankfurt a.M. (epd). Angesichts steigender Umfragewerte wächst die Sorge über das Erstarken der AfD. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio sprach der AfD ab, eine bürgerlich-konservative Partei zu sein. „Die Partei versucht zwar heimatlos gewordene Nationalkonservative einzusammeln, aber sie ist in ihren radikalen Tendenzen nicht konservativ, auch nicht nationalkonservativ, wenn man ihre geistige Nähe zum Kriegsherrn Putin sieht“, sagte Di Fabio der „Welt am Sonntag“ (Samstag, Online/Sonntag, Print) in Berlin. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) zeigte sich im „Interview der Woche“ des Deutschlandfunks am Sonntag alarmiert über die hohen Umfragewerte für die AfD.

Di Fabio, der von 1999 bis 2011 Richter am Bundesverfassungsgericht war, sagte der Zeitung, die „Verbrüderung mit einem Russland, das das nationale Selbstbestimmungsrecht von Völkern missachtet, kann man kaum anders werten als einen Verrat an jedem ehrlichen Patriotismus“. Di Fabio warnte zugleich vor Weimarer Verhältnissen und riet zu All-Parteien-Koalitionen gegen die AfD, sollte sie aus Wahlen als stärkste Kraft hervorgehen.

In Umfragen hatte die AfD zuletzt teils deutlich zugelegt. Zugleich wurde im thüringischen Sonneberg erstmals in Deutschland ein AfD-Politiker zum Landrat gewählt. In Sachsen-Anhalt wurde kurz darauf erstmals auch ein Vertreter der Partei zum hauptamtlichen Bürgermeister gewählt. Seitdem gibt es in Deutschland eine Diskussion über die Ursachen für die derzeitige Stärke der AfD.

Berlins Regierender Bürgermeister sagte im Deutschlandfunk, dass die hohen Umfragezahlen der AfD jeden Demokraten aufrütteln müssten. Sein Konzept gegen ein Erstarken der AfD sei „ganz einfach“, sagte Wegner: „Die beste Strategie dagegen ist gutes Regieren.“ Dennoch müsse sich seine eigene Partei fragen, warum die AfD und nicht sie vom schlechten Auftritt der Bundesregierung profitiere. Die CDU biete offenkundig zurzeit nicht die benötigten Lösungskonzepte an.

Im „Tagesspiegel“ (Samstag, online) warnten Politiker auf Bundesebene mit Blick auf mögliche AfD-Wahlerfolge vor einer Gefährdung des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Tilman Kuban sagte der Zeitung, dass in Europa und Deutschland „vor allem aufgrund der festen Demokratie und des stabilen Rechtsstaats“ investiert werde. Wenn dies wegfalle, verliere Deutschland als Wirtschaftsstandort „weiter an Attraktivität und Arbeitsplätzen“.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Olaf in der Beek sagte dem „Tagesspiegel“, es bestehe das Risiko, „dass zumindest eventuelle parlamentarische Mehrheiten der AfD zur Umsetzung von Teilen ihres Wahlprogramms“, etwa dem EU-Austritt, führen könnten. Damit würden Wirtschaft und Wohlstand massiv geschwächt werden.

Auch Israels früherer Botschafter in Deutschland, Schimon Stein, zeigte sich besorgt über das Umfragehoch der AfD. „Ich hätte erwartet, dass die demokratische Zivilgesellschaft viel wacher ist und zum Ausdruck bringt, dass in Deutschland vor dem Hintergrund der Vergangenheit die jetzige Entwicklung nicht zu tolerieren ist“, sagte Stein dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND, Samstag).

Mit Blick auf die Prognose von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass die AfD bei der Bundestagswahl in zwei Jahren nicht stärker abschneiden werde als 2021 mit rund zehn Prozent, sagte Stein: „Das sind zehn Prozent zu viel.“ Der frühere Botschafter betonte: „Man sollte bereits jetzt den Anfängen wehren.“