Bremen (epd). Immer mehr junge Leute in Deutschland leiden nach Angaben der Handelskrankenkasse (hkk) unter Autismus. Demnach sei 2022 bei rund 0,8 Prozent der Versicherten bis 24 Jahre eine Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert worden. 2013 waren es nur 0,4 Prozent, teilte die Krankenkasse mit Sitz in Bremen am Mittwoch mit. Dabei seien Jungen und junge Männer mit 1,1 Prozent doppelt so häufig betroffen wie Mädchen und junge Frauen mit 0,5 Prozent.
Warum der Unterschied nach Geschlecht so groß ist, sei wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt, sagte der Landesvorsitzende des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte in Bremen, Stefan Trapp. Genetische, hormonelle und soziale Ursachen kämen infrage. Möglicherweise könnten Mädchen bestimmte soziale Beeinträchtigungen auch besser kompensieren als gleich stark betroffene Jungen.
Eine wachsende Zahl von Forschenden und Laien forderten, die Besonderheiten vieler Autisten gar nicht als Störung, sondern als Eigenart zu betrachten, sagte Trapp. Dadurch könne die Stigmatisierung tatsächlich ein Stück weit zurückgehen. Andererseits seien viele Betroffene tatsächlich auf Hilfen angewiesen, warnte der Experte: „Die Übergänge von individuellen Charakterzügen, die autistische Aspekte aufweisen, zur Störung mit erheblicher Beeinträchtigung der individuellen Lebensqualität sind fließend.“
Wie hoch der Leidensdruck bei vielen sei, zeige sich darin, dass viele Betroffene mindestens eine weitere kinder- und jugendpsychiatrische Begleiterkrankung, wie Aufmerksamkeitsdefizits- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS: 33,1 Prozent der Autismus-Diagnostizierten) oder Angststörungen (24,6 Prozent) aufwiesen. Die hkk zählt nach eigenen Angaben mit mehr als 910.000 Versicherten zu den großen gesetzlichen Krankenkassen.