Brüssel, Straßburg (epd). Das EU-Renaturierungsgesetz ist in greifbare Nähe gerückt. Eine Mehrheit der Abgeordneten im EU-Parlament sprach sich am Mittwoch in Straßburg für das Gesetz aus. Zuletzt war das Renaturierungsgesetz nach langen Verhandlungen im Umweltausschuss des EU-Parlaments noch knapp gescheitert.
336 Abgeordnete stimmten in der entscheidenden Abstimmung am Mittwoch in Straßburg für den Kommissionsvorschlag, 300 stimmten dagegen, 13 enthielten sich. Die EU-Kommission hatte das Gesetz im Juni 2022 vorgeschlagen. Es soll verbindliche Ziele für die EU-Mitgliedsstaaten zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme festlegen. So soll zum Beispiel Flüssen mehr Raum gegeben, Moore sollen vernässt und alte Wälder erhalten werden. Ziel ist dabei, mehr Kohlenstoff in der Natur zu speichern. So sollen Hitzewellen, Dürren, Starkregenereignisse und Überschwemmungen abgemildert werden.
Das Gesetz gilt vor allem deswegen als umkämpft, weil die Europäische Volkspartei (EVP) unter ihrem deutschen Vorsitzenden Manfred Weber (CSU), die größte Fraktion im Europaparlament, mehrheitlich dagegen ist. Die Kritik der Christdemokraten stützt sich auf die mancher Landwirte. Einige bemängeln, dass sie durch Schutzmaßnahmen zu sehr eingeschränkt werden. Andere Landwirte begrüßen das Gesetz dagegen ausdrücklich.
Laut Gesetzentwurf sollen zum Beispiel bis 2030 zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche unter der Maßgabe biologischer Vielfalt gestaltet und nicht produktiv landwirtschaftlich genutzt werden. Die EVP sprach davon, das könne die Ernährungssicherheit gefährden. Viele EU-Abgeordnete anderer Fraktionen hielten das für ein Wahlkampfmanöver.
„Mit diesem Mandat können die Verhandlungen zur Renaturierung mit den EU-Mitgliedsstaaten beginnen. EVP-Chef Manfred Weber sollte sich besinnen. Sein Chaos-Kurs unter Einbeziehung der extremen Rechten trägt nicht“, betonte Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im Europäischen Parlament.
Peter Liese (CDU), umweltpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion erklärte, er sei enttäuscht, „aber durch unser Engagement ist jedem klar, wo die Schwachstellen dieses Gesetzes liegen“. Er werde sich weiter dafür einsetzen, dass die Anliegen der Menschen im ländlichen Raum besser als bisher berücksichtigt werden.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) begrüßte die Entscheidung des Parlaments: „Die derzeitige Hitzewelle mit ausgetrockneten Äckern, Wäldern und Flüssen ist ein Beleg dafür, wie dringend wir dieses Gesetz brauchen“, erklärte sie am Mittwoch.
Umweltschützer wie die Deutsche Umwelthilfe und Greenpeace feierten die Abstimmung als Erfolg. Die Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer twitterte: „Eine richtig richtig richtig gute Nachricht! Ein riesen Gewinn.“
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) dämpfte die Freude. Der Gesetzentwurf bleibe „weit entfernt von dem, was aus wissenschaftlicher Sicht für den Natur- und Klimaschutz notwendig wäre“. Im Trilog zwischen Parlament, Kommission und Rat gelte es nachzubessern.
Nachdem das Gesetz die Hürde im Plenum genommen hat, können die Verhandlungen zwischen dem EU-Parlament, den Umweltministerinnen und -ministern der Mitgliedsstaaten und der Kommission über den endgültigen Wortlaut des Gesetzes beginnen.