Forscherin: Der Artenschutz braucht das EU-Renaturierungsgesetz

Forscherin: Der Artenschutz braucht das EU-Renaturierungsgesetz
08.07.2023
epd
epd-Gespräch: Susanne Rochholz

Frankfurt a.M., Brüssel (epd). Die Frankfurter Biodiversitäts-Expertin Katrin Böhning-Gaese warnt vor einem Scheitern des Renaturierungsgesetzes der Europäischen Union im EU-Parlament. Das Gesetz sei „ganz zentral“ für den Klima- und Naturschutzplan „European Green Deal“, sagte die Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch was mit dem Entwurf vor der für Dienstag und Mittwoch angesetzten Beratung im Parlament passiere, könne sie „nur mit Entsetzen verfolgen“, sagte die Forscherin, die Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung ist.

Böhning-Gaese warf den Christdemokraten im EU-Parlament „in Allianz mit rechten Parteien“ und einzelnen Landwirtschaftsverbänden Lobbyismus vor. Im Umweltausschuss des EU-Parlaments habe es gleich viele Stimmen für und gegen den Gesetzentwurf gegeben, sodass er jetzt formal mit einer Ablehnung aus dem Ausschuss ins Plenum komme.

Die Umweltminister der EU hätten sich hingegen mit 20 zu fünf Stimmen bei zwei Enthaltungen für das Gesetz ausgesprochen. Selbst große und bekannte Unternehmen wie Nestlé, Unilever und Ikea befürworteten die Reform.

„Ohne das Gesetz sehe ich schwarz, wie wir das Abkommen von Montreal einhalten sollen“, sagte die Forscherin mit Blick auf die UN-Artenschutzkonferenz im vergangenen Dezember in der kanadischen Stadt Montreal. Damals hatte die Weltgemeinschaft unter anderem das sogenannte 30x30-Ziel vereinbart: Bis 2030 sollen 30 Prozent der Land- und Meeresfläche unter Schutz gestellt werden.

Deutschland komme bereits auf rund 25 Prozent Anteil geschützter Flächen, räumte Böhning-Gaese ein. Doch sie kritisierte, „dass der Schutz überhaupt nicht gut ist“. In Schutzgebieten habe beispielsweise der Insektenbestand in Krefeld um etwa Dreiviertel abgenommen oder dürften im Spessart ganz legal alte Eichen und Buchen gefällt werden. Im Wattenmeer, dem international wichtigsten deutschen Schutzgebiet, sei Fischerei „selbst in der Kernzone“ erlaubt: „Das heißt, da dürfen die Krabbenkutter mit ihren Grundschleppnetzen durchfahren, die sich potenziell verheerend auf die Tierbestände unter Wasser auswirken“. Im Wattenmeer sollte „zumindest in der Kernzone keine Fischerei mehr erlaubt sein“.

Insgesamt bräuchte es „viel stärkere Nutzungseinschränkungen in zahlreichen Schutzgebieten“ als derzeit. Diese müssten im Konsens mit den Betroffenen erarbeitet werden. „Im Zweifelsfall muss es Ausgleichszahlungen für naturfreundliche Formen der Bewirtschaftung geben“, verlangte die Artenschutz-Expertin.