Berlin (epd). Religionsgemeinschaften und christliche Wohlfahrtsverbände haben einen neuen Anlauf für die Regelung der Sterbehilfe nach dem Scheitern zweier Gesetzesvorschläge im Bundestag gefordert. „Einer gesetzlichen Regelung der Suizidassistenz bedarf es weiterhin“, sagte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, am Donnerstag. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, warnte, dieses existenzielle Thema dürfe nicht ungeregelt bleiben.
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, befürchtet nun eine gesetzliche Leerstelle und forderte eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung. Dabei seien auch die Religionsgemeinschaften in der Pflicht. Gerade in ethischen Fragen sei die Einbindung religiöser Gruppen geboten und scheine notwendiger denn je.
Im Bundestag waren am Donnerstag zwei Gesetzentwürfe zur Regelung der Suizidbeihilfe gescheitert. Eine Neuregelung war erforderlich geworden, weil das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 entschieden hatte, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben das Recht umfasst, dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Damit kippte es das Verbot zur geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Nun bleibt es vorerst dabei, dass Hilfe bei der Selbsttötung erlaubt ist, aber rechtliche Unsicherheiten birgt.
Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbands, Eva Maria Welskop-Deffaa, erklärte, es sei unerlässlich, dass die Anstrengungen zur Regulierung im nächsten Jahr wieder aufgegriffen würden. Die Diakonie Deutschland teilte mit, sie sehe das Scheitern als Chance, um zu überzeugenderen Lösungen zu kommen. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie erklärte, Politik und Gesellschaft sollten in Ruhe weiter diskutieren, was Menschen mit Sterbewunsch gerecht werde, ohne dass der assistierte Suizid zur Normalität werde.
Der bayerische Landesbischof und frühere Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, sagte, auch wenn beide Gesetzentwürfe gescheitert seien, bleibe die Aufgabe sicherzustellen, „dass der Schutz des Lebens auch am Ende des Lebens nicht Schaden leidet“. Der Limburger Bischof Bätzing betonte, es brauche ein Schutzkonzept, das sowohl den freiverantwortlichen Suizidwunsch als auch ein „dem Leben zugewandtes Gesamtklima“ berücksichtige.
Caritas und Bischofskonferenz hatten sich zuvor für den strikteren Vorschlag der Gruppe um die Bundestagsabgeordneten Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU) ausgesprochen, der für eine Regelung im Strafrecht plädierte und ein ärztliches Gutachten zur Voraussetzung für Sterbehilfe machen wollte. Die evangelische Kirche hatte sich hinter keinen der beiden Gesetzesvorschläge positioniert.
Kirchen und Verbände sprachen sich zugleich dafür aus, die Suizidprävention, Palliativmedizin und Palliativpflege auszuweiten, um Betroffene besser zu erreichen. Das Parlament verabschiedete am Donnerstag auch einen Entschließungsantrag, der sich für ein Suizidpräventionsgesetz ausspricht. Die Bundesregierung soll dafür bis Ende Juni 2024 einen Entwurf vorlegen.