Hannover, Bonn (epd). Appell für mehr Religionsfreiheit: Mit Sorge blicken beide großen Kirchen in Deutschland auf Einschränkungen und Verletzungen des universellen Menschenrechts auf Religions-, Glaubens- und Gewissensfreiheit. Zwar müsse die besondere Aufmerksamkeit den massiven Grundrechtsverletzungen in autoritären Staaten gelten, heißt es in dem am Mittwoch vorgestellten „3. Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit weltweit 2023“. Aber der Blick auf demokratische Länder mit hohem Schutzniveau zeige, dass auch dort Gefährdungen für die Religionsfreiheit gegeben sind und teilweise zunehmen.
„Die Situation ist bedrängend“, heißt es in dem Bericht. Obwohl die Religionsfreiheit in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert wurde, „steht sie weiterhin in vielen Teilen der Welt unter Druck“. Wie die ersten beiden Berichte von 2013 und 2017 wurde der neue 180-seitige Text von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vorgelegt.
Religionsfreiheit sei nicht nur ein „Recht der Frommen“, sagte der Menschenrechtsexperte Heiner Bielefeldt von der Universität Erlangen am Mittwoch vor Journalisten. Sie sei ein Freiheitsrecht der Gläubigen genauso wie der weniger Gläubigen oder der Ungläubigen. Die Religionsfreiheit schütze konservative Mitglieder etablierter Religionsgemeinschaften in ihrer Freiheit genauso wie Atheisten und Agnostikerinnen. Besonders wichtig sei sie für Angehörige verletzlicher Minderheiten.
Die Kirchen hoben den Unterschied ihres Berichts zu anderen Studien zum Thema Religionsfreiheit hervor, wie etwa dem jährlich erscheinenden Weltverfolgungsindex des christlichen Hilfswerks „Open Doors“. Aus methodischen Gründen habe man darauf verzichtet, Angaben etwa zur Zahl der weltweit verfolgten Christen zu machen, sagte der Augsburger Bischof Bertram Meier, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Bischofskonferenz. Dies habe bislang noch nie wirklich überzeugt.
Die EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber bezeichnete eine zunehmende Säkularisierung in Deutschland als problematisch. Damit gehe das Wissen um die Bedeutung von Religion grundsätzlich verloren. Dieses Menschenrecht schütze aber auch diejenigen, die ohne Religion leben wollten. Eine zunehmende Gefahr stellen Bosse-Huber zufolge Populismus und extremistische Überzeugungen dar, wenn diese sich etwa in verbalen oder tätlichen Angriffen auf Menschen äußern, die erkennbar einer Religion angehören.
„Über unsere Verbundenheit mit Kirchen und Christinnen und Christen in aller Welt wissen wir, wie viel Leid Einschränkungen und Verletzungen dieses Menschenrechts hervorrufen“, heißt es in dem gemeinsamen Geleitwort der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, und dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Georg Bätzing: „Und wir sehen, dass andere Religionsgemeinschaften sowie Menschen, die sich zu keiner Religion bekennen, ebenso unter der Missachtung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit leiden.“
In dem Bericht wird die Situation in Äthiopien, Belarus, China, Dänemark, Deutschland, Eritrea, Indien, Israel und Palästina, Myanmar, Russland, Syrien und Irak sowie in der Türkei beschrieben. Alle im Bericht genannten Länder sind laut Bielefeldt, dem ehemaligen UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfragen, exemplarisch gewählt. Bischofskonferenz und EKD wollen mit dem Bericht an die Regierungen appellieren, „Freiheit und Gleichberechtigung der Menschen in Fragen von Religion und Weltanschauung auch zu ihren Anliegen zu machen“.