Düsseldorf (epd). Werbung für Süßigkeiten, die sich direkt an Kinder richtet, soll nicht so stark eingeschränkt werden wie ursprünglich geplant. Etwa soll TV-Werbung für Produkte mit zu viel Zucker, Salz oder Fett jetzt nur in den Zeitfenstern eingeschränkt werden, in denen besonders viele Kinder vor dem Fernseher sitzen, sagte Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Samstag) mit Blick auf Kritik aus der FDP und regierungsinterne Gespräche. „Wir haben Anregungen und Kritik einfließen lassen und unseren Entwurf entsprechend präzisiert“, sagte der Minister. Kritik kam von Experten für Kindergesundheit.
Die Werbeeinschränkung für schädliche Snacks und Getränke soll demnach wochentags von 17 bis 22 Uhr, samstags zusätzlich von 8 bis 11 Uhr und sonntags von 8 bis 22 Uhr gelten. Bislang war ein Verbot von 6 bis 23 Uhr an allen Tagen vorgesehen. „Im Hörfunk verzichten wir auf eine Sendezeit-Regelung“, sagte Özdemir. „Was Angebote im Internet angeht, sind alle gängigen Kanäle betroffen und auch Influencer, deren Inhalte zunehmend von Kindern konsumiert werden.“
Abgeschwächt wird auch das ursprünglich vorgesehene Plakatverbot für ungesunde Produkte an Orten, an denen sich Kinder aufhalten. Es solle auf Kitas und Schulen konzentriert werden, sagte der Minister - bislang sollte es auch im Umfeld von Sport- und Spielplätzen sowie Freizeiteinrichtungen gelten. „Und wir stellen klar, dass es kein Verbot von Werbung für Lebensmittel in Schaufenstern gibt.“ Ausnahmen sollten nicht nur für Milch und Fruchtsäfte gelten, sondern auch für ungesüßten Joghurt.
Der Gründer und Vorsitzende der Münchener Stiftung Kindergesundheit, Berthold Koletzko, kritisierte die Änderung im Gesetzentwurf. Es sei nicht zielführend, Plakatwerbung in der Nähe von Spielplätzen und Freizeiteinrichtungen weiterhin zu erlauben, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND, Samstag).
Koletzko zeigte sich ferner mit den gekürzten Verbotszeiten für Fernsehwerbung unzufrieden: „Wenn man Kinder und ihre Gesundheit wirkungsvoll schützen will, sollten die Zeiten von 6 bis 23 Uhr wochentags und am Wochenende eingeschlossen werden“, sagte der Kinderarzt und Experte für Ernährungsmedizin.
Verbote für an Kinder gerichtete Werbung für Dickmacher sind nach Aussage von Özdemir nötig, weil eine Selbstverpflichtung der Industrie nicht gegriffen hat. Nach Ministeriumsangaben sind rund 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen in Deutschland übergewichtig, sechs Prozent sind adipös, also krankhaft übergewichtig. „Die gesamtgesellschaftlichen Kosten von Adipositas belaufen sich auf 63 Milliarden Euro pro Jahr“, sagte Özdemir.