Mainz (epd). Knapp 15 Jahre nach Einführung der allgemeinen Krankenversicherungspflicht in Deutschland beklagen Verbände und Sozialinitiativen weiter eine hohe Anzahl unversicherter Menschen. Nirgendwo in Europa seien die gesetzlichen Regelungen so kompliziert wie in der Bundesrepublik, klagte Nele Wilk von der „Clearingstelle Krankenversicherung Rheinland-Pfalz“ am Freitag bei einer Fachtagung der Nationalen Armutskonferenz in Mainz. Krankenkassen würden Betroffene oft bewusst falsch beraten, um sie abzuwimmeln, kritisierte sie. So würden Antragsformulare mitunter erst nach wochenlangen Verzögerungen verschickt.
Nach Einschätzung von Hilfsvereinen verhindern beispielsweise hohe Beitragsrückstände und die Angst vor einem nicht zu bewältigenden Schuldenberg die Rückkehr von Menschen in das reguläre Krankenversicherungssystem. Besonders drückend sei die Lage älterer, vormals privat Versicherter, denen ab einem Alter von 55 Jahren die Rückkehr in eine gesetzliche Krankenkasse verbaut ist. Ähnlich schwierig sei die Lage für viele EU-Bürger sowie Straftäter nach Verbüßung einer Haftstrafe. Die Clearingstelle wird vom privaten Mainzer Hilfsverein „Armut und Gesundheit“ getragen.
Anstelle von bundesweit einheitlichen Standards für die Behandlung von Patienten ohne Versicherungsschutz gebe es bislang nur einen Flickenteppich regionaler Angebote, sagte Sophie Pauligk von der „Bundesarbeitsgemeinschaft Anonyme Behandlungsscheine und Clearingstellen“. In zahlreichen Kommunen hätten sich mittlerweile parallele Versorgungsstrukturen auf Spendenbasis etabliert, in denen Ärzte oder Medizinstudenten sich um Menschen ohne Versicherungsschutz kümmerten.
Clearingstellen mit Regelungen zur Kostenübernahme für Behandlungen in regulären medizinischen Einrichtungen gebe es bislang in Berlin, München, Hamburg und Bremen. In anderen Regionen, etwa in Großstädten wie Mannheim und Heidelberg, fehle bislang noch jegliches Angebot für Nichtversicherte.