Nürnberg (epd). Applaus und Protestrufe: Olaf Scholz' erster Besuch als Kanzler beim evangelischen Kirchentag ist vom Publikum mit gemischten Reaktionen aufgenommen worden. Der Kanzler verteidigte vor rund 5.000 Menschen in Nürnberg den Kompromiss der EU-Innenminister zur Reform des europäischen Asylsystems. „Es geht um Solidarität“, sagte Scholz am Samstag. Die Verabredung sei, dass ein Solidaritäsmechanismus etabliert werde, in dem Staaten wie Deutschland Flüchtlinge aus den Grenzstaaten übernehmen, dort dafür aber alle registriert werden.
Dieser vereinbarte Mechanismus sei ein faireres Asylsystem als das heutige, ergänzte Scholz. Das jetzige System sei weder gut für die Schutzsuchenden, die sich auf gefährliche Routen begeben, noch für die beteiligten Länder. Gleichzeitig verteidigte Scholz die Pläne für Grenzverfahren, die dazu führen sollen, dass Menschen ohne Schutzberechtigung in der EU schnell wieder zurückgeschickt werden. Es brauche Regeln. Man müsse dies auch machen, um das Asylrecht zu schützen, sagte der Kanzler.
Scholz erhielt dafür Applaus, aber auch Protestrufe aus dem Publikum. Ebenso war es bei anderen Themen, zu denen der Kanzler von der „Zeit“-Journalistin Tina Hildebrandt befragt wurde. Scholz verteidigte die Waffenlieferungen an die Ukraine. Sie dienten dazu, dass sich die Ukraine gegen den russischen Angriff verteidigen könne. „Das kann und das soll sie ja“, sagte er unter großem Applaus der Kirchentagspublikums. Einzelne riefen allerdings auch „Verhandlungen jetzt“ von den Rängen.
Scholz entgegnete den Protestrufern, Verhandlungen seien „okay“. Die Frage sei nur, mit wem und worüber. Nicht akzeptabel sei, dass die Ukraine darüber verhandeln solle, dass ein Teil ihres Territoriums einfach Russland werde, sagte Scholz.
Auch beim Thema Klimawandel gab es laute Protestrufe, die der Regierung Versagen vorwarfen. Scholz musste seine Stimme deutlich anheben, um einen Störer zu übertönen. Schmunzelnd sagte der für sein leises Sprechen bekannte Regierungschef, er habe vor seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter, Senator und Minister lange frei vor großen Versammlungen geredet. „Das haben nur einige vergessen, dass das auch zu meinem Leben gehört.“
Scholz selbst ist getauft und konfirmiert, später aber aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Er habe großen Respekt vor religiösen Bekenntnissen, sagte Scholz und betonte vor dem Kirchentag die Rolle der Religionsfreiheit. „Ich habe eine öffentliche Verantwortung auch zum Schutz des Glaubens“, sagte er. Er habe für sich eine Entscheidung getroffen, sagte er über seinen Kirchenaustrit. Gleichzeitig bekannte der Regierungschef: „Ich zähle zu den wenigen Deutschen, die das Alte und das Neue Testament gelesen haben.“