Nürnberg (epd). Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich beim evangelischen Kirchentag in Nürnberg einen Schlagabtausch mit einer Vertreterin der Klimabewegung „Letzten Generation“ geliefert. Auf einem Podium mit der Sprecherin der Bewegung, Carla Hinrichs, erneuerte er am Freitag seine Kritik an deren Verkehrsblockadeaktionen. „Dieser Protest verhindert eine Mehrheit für Klimaschutz und treibt die Leute weg“, sagte Habeck. Die Aktionen seien unspezifisch, träfen alle und damit „in Wahrheit niemanden“, sagte er. „Damit verpufft er und macht Leute nur zornig und ärgerlich“, sagte Habeck.
Hinrichs hielt Habeck entgegen: „Seit wann bewertet die Regierung den Protest gegen sich selber als richtig oder falsch?“ Ihre Bewegung habe sich zur Aufgabe gemacht, „Feueralarm“ zu sein wie bei einem Hochhaus, das im Keller brennt. Der Alarm sei laut und nervig, aber niemand würde im Nachhinein sagen, dass er falsch gewesen sei, sagte Hinrichs.
Vertreterinnen und Vertreter der „Letzten Generation“ blockierten am Freitag auch den Straßenverkehr am Hauptbahnhof in Nürnberg, was Habeck angesichts des Kirchentags kritisierte: „Was können die denn dafür“, sagte er mit Blick auf die Teilnehmer des Christentreffens.
Beide Seiten ernteten für ihre Positionen viel Applaus in der voll besetzten Halle auf dem Messegelände, die rund 4.500 Besucherinnen und Besucher fasst. Hinrichs bekam für ihr Eingangsstatement sogar stehende Ovationen. Vertreter der „Letzten Generation“ hatten bereits Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) getroffen, allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Habeck ist das erste Regierungsmitglied, das öffentlich mit einer Vertreterin der umstrittenen Organisation diskutierte.
Der Minister erntete Applaus für seinen Vorwurf, die „Letzte Generation“ trage zur Spaltung bei. „Politisch teile ich das Argument nicht: Die Gesellschaft spaltet sich, dann wollen wir Teil der Spaltung sein. Das ist doch falsch“, sagte er. Er warnte zudem vor der Instrumentalisierung apokalyptischer Szenarien, um Forderungen nach mehr Klimaschutz Nachdruck zu verleihen. Negativnachrichten und Schreckensszenarien „werden immer im Wettbewerb mit dem nächsten Populismus stehen“, sagte der Minister. Die Überbietung des Negativen, „getriggert durch soziale Medien, Likes und Tweets“, führe nicht dazu, dass die Gesellschaft an Verbesserung, Hoffnung und Zuversicht arbeite.
Hinrichs unterstrich die Forderung der „Letzten Generation“ nach einem Gesellschaftsrat. Die Regierungen der vergangenen 40 Jahre hätten es „verbockt“, genug zur Abwendung der Erderwärmung zu unternehmen, sagte sie. Ihr fehle das Vertrauen, dass der aktuellen Regierung dies „in diesem System“ gelinge.
Die Vorständin der Dachorganisation Klima-Allianz, Christiane Averbeck, kritisierte indirekt ebenfalls die Aktionen der „Letzten Generation“. Ihre Mitgliedsorganisationen beschäftigten sich schon lange mit dem Thema und erreichten 25 Millionen Menschen. Die dort Engagierten „haben eigentlich keine Böcke darauf“, sich in den Medien nur darüber auszutauschen, ob die Proteste der „Letzten Generation“ legitim sind oder nicht.