Arbeit der Zukunft: Es geht um mehr als die Vier-Tage-Woche

Arbeit der Zukunft: Es geht um mehr als die Vier-Tage-Woche
"Arbeiten im Neuen Normal", so war ein Podium beim evangelischen Kirchentag überschrieben. Doch wie soll, wie wird die Arbeit der Zukunft aussehen? Homeoffice, Vier-Tage-Woche oder mehr Roboter? Expertinnen und Experten sind uneins.
08.06.2023
epd
Von Dirk Baas (epd)

Nürnberg (epd). Die Zukunft der Arbeitswelt wird nicht vom Homeoffice dominiert. Da ist sich Andrea Nahles, die Chefin der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, sicher. Sie legt am Donnerstag beim Podium „Arbeiten im Neuen Normal“ Zahlen vor: 70 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland könnten nicht mobil arbeiten, denn sie sind in der Produktion tätig, in der Pflege, fahren Busse und Bahnen oder schaffen bei der Müllabfuhr. Also rät Nahles, quasi als Nachteilsausgleich, zu mehr Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung. Sonst drohe eine Spaltung des Jobmarktes in „priviligierte“ Beschäftigte im Homeoffice und jene, denen diese Vorzüge versagt blieben.

Von der aktuell wieder neu in die politische Debatte gebrachten Vier-Tage-Woche bei gleichen Bezügen hält Alexander Zumkeller, Arbeitsdirektor der ABB AG und Chef von 10.000 Mitarbeitenden, wenig. Man solle individuelle Lösungen in den Unternehmen suchen: Es gehe nicht allein um die Vereinbarkeit von Job und Familie: „Mehr Privatleben, Vereinsaktivitäten und die Lust am Faulenzen“, all das seien Motive für neue Arbeitszeitmodelle.

Die Wünsche der Beschäftigten seien extrem unterschiedlich, betont der Fachmann. Manche Mitarbeitenden wollten fünf Stunden an sechs Tagen arbeiten, andere nur früh oder überwiegend nur spät, wieder andere bevorzugten lange Mittagspausen oder gar die Arbeit an Feiertagen. Wer als Firma all das ermöglichen wolle, „stößt ganz schnell an Überregulierungen im deutschen Arbeitsmarkt“, so Arbeitsrechtler Zumkeller. Und weil es allerorten an Personal mangelt, müssten Unternehmen sich mit ihren Arbeitszeitmodellen ohnehin schon weit auf die Beschäftigten zubewegen.

Die Soziologin Jutta Allmendinger widerspricht nicht direkt, sagt aber, die Erwerbsarbeit für alle Beschäftigten müsse deutlich reduziert werden. Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) meint, die heutige Arbeitsverteilung zwischen den Geschlechtern passe „nicht mehr zum Leben“. Sie plädiert für eine lebenslange Arbeitszeit von 32 Wochenstunden, die aber nicht zwingend in einer Vier-Tage-Woche zu leisten seien. Auch sie betont: Individuelle Lösungen seien das Maß aller Dinge.

Allmendinger wirbt für den Umbau der heutigen Arbeitsstrukturen, vor allem mit dem Blick auf die überwiegend in Vollzeit arbeitenden Männer. Das bestehende Modell des alleinverdienenden Mannes als Ernährer der Familie und der Frau und Mutter, die daheim Kinder versorgt oder Eltern pflegt, habe sich überholt, betont die Berliner Forscherin: „Männer müssen bei der Arbeit runter, Frauen hoch.“

Ziel müsse sein, dass Männer künftig mehr Care-Arbeit leisten. Dann werde auch die Erwerbarbeit der Frauen zunehmen. Damit das möglich werde, müsse „die Erwerbsarbeit viel stärker flexibilisiert werden“, fordert Allmendinger. Zudem müsse Pflegearbeit zur Unterstützung der Angehörigen endlich vergütet werden. Ganz allgemein formuliert sie: Aus der Erwerbstätigkeitsgesellschaft müsse eine Tätigkeitsgesellschaft werden - mit weit mehr ehrenamtlicher Arbeit als heute.

Doch sollte die dann nicht auch angemessen bezahlt werden? Sollten damit auch Rentenpunkte gesammelt werden, auf vergütete freiwillige Arbeiten auch Sozialversicherungsbeiträge erhoben werden? Es bleibt viel Diskussionsbedarf für ein weiteres Podium.