Berlin (epd). Der Umweltverband WWF hat den anhaltend hohen Ausstoß von Treibhausgasen durch die deutsche Industrie kritisiert. Politik und Wirtschaft müssten sich stärker für eine Transformation dieses Sektors einsetzen, sagte die Klimachefin des Umweltverbandes, Viviane Raddatz, am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung einer neuen Studie. Demnach sind 30 Industrieanlagen für knapp ein Drittel der im Klimaschutzgesetz definierten Emissionen des Industriesektors verantwortlich.
Der Industriesektor insgesamt stoße nach der Energiewirtschaft die zweithöchste Menge an Treibhausgasen aus, hieß es. Acht Prozent der klimaschädlichen Treibhausgase in Deutschland werden der Studie „Dirty Thirty. Emissionen des Industriesektors in Deutschland“ zufolge allein von diesen 30 Industrieanlagen produziert. Es handelte sich um insgesamt 58 Millionen Tonnen CO2-Emissionen.
Nur mit einer Transformation des Industriesektors könnten Klima und Arbeitsplätze gleichermaßen geschützt werden, sagte die WWF-Klimachefin. In den vergangenen Jahren seien die Emissionen der Industrie im wesentlichen konstant geblieben. Technologien zum Ausstieg aus Kohle und anderen fossilen Energieträgern seien aber bereits vorhanden.
Vor diesem Hintergrund forderte sie ein Klimaschutz-Sofortprogramm. Die Studie des Öko-Instituts wurde im Auftrag des WWF Deutschland erstellt. Im Bericht werden die Industrieemissionen von Anlagen im europäischen Emissionshandel analysiert.
Der Analyse zufolge entfallen die ersten 13 Ränge der unter den 30 CO2-intensivsten Anlagen auf Eisen- und Stahlerzeugung. Auch in der Zement- und Chemieindustrie sei der Ausstoß an Kohlendioxid hoch, hieß es.
Die Energiewirtschaft habe in den vergangenen Jahren die Treibhausgasemissionen gesenkt, sagte Raddatz. Geringere Emissionen der Industrie seien jedoch nur krisenbedingt. Dem Bericht zufolge sank der Ausstoß im Industriesektor nach dem Klimaschutzgesetz im vergangenen Jahr um zehn, in der Chemieproduktion um 17 Prozent.
„Wir sehen keinen strukturellen Rückgang“, kritisierte Raddatz. Der Handel mit CO2-Zertifikaten habe nicht die erhoffte Signalwirkung entfaltet. „Durch die Vergabe kostenloser CO2-Zertifikate an die Industrie wurde das Preissignal abgeschwächt und der Anreiz, auf klimafreundliche Verfahren und Technologien umzustellen, entfiel“, sagte die Expertin des WWF. Die Zuteilung von CO2-Zertifikaten müsse an Bedingungen gebunden werden. Ein Ende der kostenlosen Vergabe im Jahr 2034 sei zu spät.
Die Vergabe von Fördermitteln an die Industrie sollte laut WWF grundsätzlich an Gegenleistungen geknüpft werden. Dazu gehörten Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien sowie der verpflichtende Betrieb von Umwelt- oder Energiemanagementsystemen. Zudem sollten Unternehmen demnach mittel- bis langfristige Transformationspläne vorlegen. Bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge seien Klimaschutzkriterien zu berücksichtigen, etwa Treibhausgas-Grenzwerte. Derzeit sei bei öffentlichen Aussschreibungen noch immer das Kriterium der Wirtschaftlichkeit entscheidend.