Missbrauch: Kommission legt Bericht zu Saar-Uniklinikum vor

Missbrauch: Kommission legt Bericht zu Saar-Uniklinikum vor
Mutmaßlicher Tatort war vor allem die Kinder- und Jugendpsychiatrie: Die Unabhängige Aufarbeitungskommission am Uni-Klinikum des Saarlandes zählt in ihrem Abschlussbericht Missbrauchsverdachtsfälle auf und spricht von mangelndem Führungshandeln.

Kirkel (epd). Die Unabhängige Aufarbeitungskommission (UAK) am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) bestätigt Missbrauchsverdachtsfälle an Kindern und Jugendlichen und schlägt finanzielle Entschädigungen vor. Bei insgesamt mehr als 80 registrierten Missbrauchsverdachtsfällen in den Jahren 2010 bis 2014 hat sie insgesamt 52 Fälle festgestellt, wie die Kommission am Mittwoch bei der Vorstellung des Abschlussberichts in Kirkel in Beisein von Betroffenen erklärte.

Der Aufsichtsrat des Klinikums hatte die Kommission beauftragt, die Vorwürfe gegen das Klinikum zu untersuchen. Kommissionsvorsitzender ist der ehemalige Präsident des Bundeskriminalamtes und Bundesvorsitzende der Opferorganisation Weißer Ring, Jörg Ziercke. Am Mittwoch unterstrich er mit Blick auf das Verhalten der Universitätsklinik: „An vorausschauendem und konsequenten Führungshandeln des Universitätsklinikums hat es gemangelt.“

Konkret ging es bei der Untersuchung hauptsächlich um mutmaßliche Missbrauchshandlungen an Kindern in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Zwischen 2010 und 2014 soll ein Assistenzarzt medizinisch nicht notwendige Untersuchungen im Intimbereich von Kindern und Jugendlichen vorgenommen haben. Das Universitätsklinikum erstattete Ende 2014 Strafanzeige und kündigte dem Arzt fristlos. Da der mutmaßliche Täter 2016 starb, mussten die staatsanwaltlichen Ermittlungen eingestellt werden. Uniklinikum und Staatsanwaltschaft hatten damals entschieden, möglicherweise betroffene Patienten nicht über den Verdacht zu informieren.

„Das Vertrauen der betroffenen Menschen im Saarland in das Universitätsklinikum hat durch die Ereignisse schweren Schaden genommen“, heißt es in dem über 300 Seiten starken Abschlussbericht mit einer ebenfalls rund 300 Seiten starken Anlage. „Wesentliche Ursache für diesen Vertrauensverlust ist insbesondere die ausgebliebene Information der Angehörigen nach der internen Aufdeckung der Verdachtsumstände.“ Der vielfache Missbrauchsverdacht sei Angehörigen und Öffentlichkeit erst 2019 bekannt geworden.

Auch die Beiratsvorsitzende und ehemalige Bundesfamilienministerin Christine Bergmann sprach von Versäumnissen und Fehlverhalten. Sexuelle Gewalt an Kindern ausgerechnet in einer Kinderklinik sei schwer vorstellbar, sagte sie. „Aber es passiert, und es passierte am UKS über Jahre hinweg.“ Bei der Aufarbeitung der Missbrauchsverdachtsfälle am UKS ging es außerdem um zwei ungeklärte Körperverletzungen an Kindern im Operationssaal der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO) in den Jahren 2012 und 2014.

„Ein Höhepunkt der fast zweieinhalbjährigen Aufarbeitung am UKS war die öffentliche Entschuldigung der Ärztlichen Direktorin bei den Betroffenen und Angehörigen für erlittenes Leid und die Übernahme der institutionellen Verantwortung für sexuellen Missbrauch und für die Verletzungen von Kindern im OP der HNO“, erklärte die Kommission. Die Kommission regt je nach Schwere des Falls Entschädigungsleistungen zwischen mindestens 5.000 und 50.000 Euro an. Die Kommission schlug außerdem vor, das Schutzkonzept der Klinik als verpflichtende Dienstvereinbarung für die Krankenhausbeschäftigten einzuführen. Am 14. Juli will sich der Aufsichtsrat der Universitätslinik des Saarlandes mit den Empfehlungen befassen.

Während ihrer 2021 begonnenen Aufarbeitungsarbeit hatte die Kommission 808 möglicherweise von Missbrauchsfällen betroffene Familien angeschrieben. 52 Familien hatten schriftlich mit der Kommission Kontakt aufgenommen, 14 von ihnen waren bereit, mit den ärztlichen Mitgliedern zu sprechen.