Frankfurt a.M. (epd). Der Rückruf eines Arzneimittels wegen einer Verunreinigung erwirkt nicht automatisch einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Eine Klägerin könne nicht wegen der Angst, aufgrund des verunreinigten Medikaments an Krebs zu erkranken, eine Entschädigung verlangen, teilte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main am Dienstag mit. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. (AZ: 13 U 69/22; Landgericht Darmstadt AZ: 27 O 119/21)
Die Klägerin hatte nach Angaben des Gerichts seit Jahren blutdrucksenkende Arzneimittel mit dem Wirkstoff Valsartan genommen. 2018 rief das Pharmaunternehmen alle Arzneimittel mit diesem Wirkstoff zurück, da es bei dessen Hersteller zu Verunreinigungen mit dem Stoff NDMA gekommen war. Dieser ist von der Weltgesundheitsorganisation und der EU als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Die Klägerin verlangte für die seither erlittene Angst, an Krebs zu erkranken, von dem Pharmaunternehmen ein Schmerzensgeld von mindestens 21.500 Euro.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, und das OLG bestätigte dessen Entscheidung. Die Europäische Arzneimittelagentur gebe an, dass bei einer täglichen Einnahme der Höchstdosis der mit NDMA verunreinigten Arzneimittel über sechs Jahre lang das Krebsrisiko theoretisch um 0,02 Prozent zunehme. Dieser Wert liege „unterhalb der Erheblichkeitsschwelle“, entschied das OLG. Zum Vergleich liege das allgemeine Lebenszeitrisiko für Frauen in Deutschland, an Krebs zu erkranken, bei 43,5 Prozent.