Wittenberg (epd). Die mittelalterliche Schmähplastik „Judensau“ an der Wittenberger Stadtkirche St. Marien wird künftig durch eine Bitte um Vergebung ergänzt. Sie richte sich an „Gott und das jüdische Volk“ und werde auf einer bereits vorhandenen Infotafel unter dem Relief angebracht, teilte die Stadtkirchengemeinde Wittenberg am Montag mit.
Im überarbeiteten Text für das Mahnmal an der Kirche heißt es unter anderem, dass es sich bei der Plastik um ein „Zeugnis des christlichen Antijudaismus“ handele: „Durch das Relief wurden Juden gedemütigt und ausgegrenzt.“ Die Gemeinde will künftig aktiv gegen Antijudaismus und Antisemitismus eintreten, hieß es.
Das Relief in vier Metern Höhe zeigt ein Schwein, an dessen Zitzen Menschen saugen, die Juden darstellen sollen. Das Spottbild stammt aus dem 13. Jahrhundert und befindet sich laut Erklär-Text seit 1570 an seinem jetzigen Standort an der Südostecke der Stadtkirche. Damals sei es mit einer Inschrift ergänzt worden, die sich auf eine judenfeindliche Schrift Martin Luthers (1483-1546) bezogen habe. Mit antisemitischen Schriften habe der Reformator zur Gewalt gegen Juden aufgerufen und zur Verbreitung von Judenhass beigetragen, hieß es. Im Nationalsozialismus seien Luthers Schriften aufgegriffen worden, um den Völkermord an den Juden zu rechtfertigen.
Seit 1988 stellen eine vor der Kirche eingelassene Bodenplatte und eine Stele mit Erläuterungen die Plastik in einen distanzierenden Kontext. Im Oktober hatte der Gemeindekirchenrat beschlossen, dass die Schmähplastik an der Fassade der evangelischen Stadtkirche Wittenberg nicht entfernt wird, die Erläuterungstexte jedoch überarbeitet werden.
Der Umgestaltung waren innerkirchliche Debatten und ein jahrelanger Rechtsstreit vorausgegangen. Im Juli 2022 hatte der Bundesgerichtshof die Klage eines Bürgers abgewiesen, der eine Entfernung des Reliefs verlangt hatte (AZ: VI ZR 172/20).