Schulze: Afghanistan-Hilfe zu beenden, würde die Welt nicht aushalten

Schulze: Afghanistan-Hilfe zu beenden, würde die Welt nicht aushalten
01.04.2023
epd
epd-Gespräch: Mey Dudin und Natalia Matter

Berlin (epd). Trotz der massiven Einschränkungen für Frauen hat sich Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) deutlich gegen einen Rückzug der deutschen Entwicklungshilfe aus Afghanistan ausgesprochen. „Wenn wir als westliche Gemeinschaft gehen würden, wären die letzten, die den Frauen noch helfen, weg“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Es ist eine schwer auszuhaltende Vorstellung, dass man die Menschen in Afghanistan sich komplett selbst überlässt und als Weltgemeinschaft nur zuschaut. Ich glaube, dass wir das als Welt nicht aushalten.“ 28 Millionen der etwa 40 Millionen Afghaninnen und Afghanen sind laut UN auf Hilfe angewiesen, um zu überleben.

Dennoch müsse den Taliban klargemacht werden, dass es nicht hinnehmbar sei, die Frauenrechte derart mit Füßen zu treten. „Es muss ja auch Konsequenzen haben. Wir können nicht sagen, wir wollen auf der einen Seite Demokratien stärken und dann nach dem Erlass von Arbeits- und Universitätsverboten für Frauen einfach weitermachen, als wäre nichts gewesen“, sagte Schulze. „Wir halten den Druck auf das Taliban-Regime aufrecht, damit sie die vielen Verbote für Frauen wieder aufheben“, betonte Schulze und verwies auf die Gespräche der Vereinten Nationen mit den radikalislamischen Machthabern.

Seit ihrer Machtübernahme 2021 haben die Taliban die Rechte der weiblichen Bevölkerung immer mehr eingeschränkt. Zuletzt verboten sie Frauen die Arbeit bei humanitären Organisationen, nahmen später jedoch den Gesundheitsbereich und die Grundschulbildung wieder davon aus.

„Wir haben klare Kriterien für unsere Programme aufgestellt: Wir lassen Frauen nicht durch Männer ersetzen, auch wenn die Taliban das wollen“, sagte Schulze. An dem Punkt sei es nötig, eine Grenze aufzuzeigen. Vielmehr engagierten sich die Organisationen, die vom Entwicklungsministerium unterstützt würden, dort weiter, wo Frauen weiter arbeiten dürften. „Frauen sind die Kompetenzträgerinnen, nicht nur im Gesundheits- oder Ernährungsbereich. Außerdem haben sie einen ganz anderen Zugang als Männer - insbesondere zu notleidenden Frauen.“ Sie durch Männer zu ersetzen, sei deshalb gar nicht möglich. Allerdings könnten etwa 15 Prozent der vom BMZ unterstützten Projekte derzeit wegen der Verbote nicht fortgeführt werden. „Was wir nicht mehr machen, sind langfristige Infrastrukturprojekte wie Bewässerungssysteme, Schulgebäude oder Straßenbau.“

„Wir haben nach wie vor kein Botschaftspersonal vor Ort und führen auch keine Gespräche mit den de-facto Autoritäten“, sagte die Ministerin. Vieles erfahre sie aus den Gesprächen mit den Hilfsorganisationen, die vor Ort seien und in der täglichen Auseinandersetzung mit den Taliban. „Die Frage, wie lange wir in Afghanistan bleiben können, hängt davon ab, wie die politischen Verhältnisse sich dort weiter entwickeln“, betonte Schulze. Vor der Entscheidung, sich zurückzuziehen, „würden wir immer erst nochmal versuchen, den Menschen zu helfen“.