Hannover (epd). Immer mehr Berufstätige leiden einer Auswertung der Kaufmännischen Krankenkasse zufolge unter den psychischen Auswirkungen der Corona-Krise. Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) habe unter ihren bundesweit 1,6 Millionen Versicherten im vergangenen Jahr rund 16 Prozent mehr Krankschreibungen aufgrund seelischer Leiden verzeichnet als in 2021, teilte die Krankenkasse mit Sitz in Hannover am Samstag mit. Am häufigsten betroffen seien Beschäftigte in der Krankenpflege sowie in der Erziehung und Sozialarbeit.
Insgesamt habe die KKH im vergangenen Jahr 57.500 Krankschreibungen mit 2,3 Millionen Fehltagen wegen psychischer Probleme registriert. Am häufigsten (30 Prozent) fehlten Berufstätige wegen depressiver Episoden am Arbeitsplatz. Knapp dahinter folgen mit 28 Prozent depressive Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen. Fast 15 Prozent fielen auf wiederkehrender Depressionen, gut zwölf Prozent auf chronische Erschöpfung.
Zwar sind den Angaben zufolge nach wie vor deutlich mehr Frauen von psychischen Erkrankungen betroffen, doch holten Männer auf, hieß es: So seien 2022 rund 40 Prozent mehr Atteste wegen Angststörungen bei Männern ausgestellt worden als noch im Jahr zuvor. Bei Frauen habe das Plus bei Angststörungen nur 19 Prozent betragen.
Nach Einschätzung der KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick haben viele Männer, die vorher im Vereins- und Mannschaftssport eingebunden waren, ihre körperliche Aktivität auf ein Minimum reduziert. „Der dadurch entstandene Bewegungsmangel und der fehlende soziale Austausch scheinen sich nachhaltig negativ auf die Psyche, also auf Antrieb und Motivation und die allgemeine Stimmungslage ausgewirkt zu haben.“
Außerdem seien mit der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage weitere Unsicherheitsfaktoren hinzugekommen. Männer machten sich häufig mehr Sorgen um ihren Job und die wirtschaftliche Situation ihrer Familie als Frauen. Darum litten sie besonders stark unter Existenzängsten und dem Ohnmachtsgefühl, ihrem Verantwortungsanspruch nicht mehr gerecht werden zu können, erläuterte Judick.
Bei den Frauen sei es eher der Spagat zwischen Job, Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen, der sie psychisch stark beanspruche. Laut Judick hat sich dieses Problem während der Pandemie noch verschärft: Kleine Kinder mussten neben der Arbeit im Homeoffice beaufsichtigt und ältere Kinder im Homeschooling betreut werden, während im Job nach wie vor Bestleistungen gefordert waren.