Wiesbaden (epd). Mit Aussagen von Innenminister Peter Beuth und dem ehemaligen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (beide CDU) hat der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum Mord am früheren Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke die Zeugenvernehmungen abgeschlossen. In der Endphase seiner Tätigkeit will das Gremium bis zum Sommer seinen Abschlussbericht erarbeiten. Beuth räumte am Donnerstag in Wiesbaden ein, dass die 2015 beschlossene Löschung der Akte über den späteren Lübcke-Mörder Stephan Ernst im Landesamt für Verfassungsschutz ein Fehler war. Bouffier wies den Vorwurf zurück, die Sicherheitsbehörden seien auf dem rechten Auge blind gewesen.
Der Untersuchungsausschuss war einberufen worden, um mögliche Fehler der Sicherheitsbehörden vor dem Mord an Lübcke im Juni 2019 aufzuklären. Vor allem geht es um die Frage, warum Ernst vom Radar des Verfassungsschutzes verschwand, obwohl seine langjährigen Verstrickungen in den Rechtsextremismus bekannt waren. Er wurde inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er den Kasseler Regierungspräsidenten wegen dessen entschiedenem Eintreten für die Aufnahme von Flüchtlingen auf der Terrasse des Wohnhauses der Familie Lübcke in Nordhessen erschossen hatte. Die Verfassungsschutzakte von Ernst war 2015 geschlossen worden, weil die Behörde lange keine neuen Erkenntnisse mehr über die rechtsextremistische Betätigung von Ernst registriert hatte.
Innenminister Beuth antwortete auf eine Frage der Grünen-Abgeordneten Eva Goldbach, die seinerzeit verfügte Löschung der Akte sei „zweifellos ein Fehler gewesen“. Er wies aber zugleich darauf hin, dass wegen eines vorher verfügten Löschungsmoratoriums zu Fällen des Rechtsextremismus die über Ernst gesammelten Daten nicht vernichtet, sondern nur gesperrt worden seien. So hätten sie nach Bekanntwerden des Mordverdachts im Fall Lübcke rekonstruiert und vollständig an den ermittelnden Generalbundesanwalt übergeben werden können.
In seiner Zeugenvernehmung erläuterte Beuth, welche Anstrengungen in seiner Amtszeit unternommen wurden, um den Rechtsextremismus effektiver zu bekämpfen. Dieser stelle aktuell die größte Bedrohung für die innere Sicherheit dar. Die Landesregierung habe aber konsequent die Empfehlungen der Untersuchungsausschüsse zur rechtsterroristischen Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) umgesetzt. Beuth verwies auf die personelle Aufstockung des Landesamts für Verfassungsschutz und die Einrichtung einer eigenen Abteilung für den Kampf gegen Rechtsextremismus. Zusammen mit der neu geschaffenen „Besonderen Aufbauorganisation“ des Landeskriminalamts habe man so den Druck auf die rechtsextremistische Szene stark erhöht.
Sowohl Beuth als auch vor allem Bouffier schilderten in bewegenden Worten, wie sehr sie der Mord an Lübcke, der wie sie beide CDU-Mitglied war, erschüttert habe und weiterhin erschüttere. Der „feige Anschlag“ auf ihn sei nicht absehbar gewesen, sagte Beuth und nannte Lübcke einen „Pfundskerl“ und großartigen Menschen. Bouffier versicherte: „Der Mord an meinem Freund hat mich entsetzt, wir kannten uns über 40 Jahre aus der Jungen Union und dem Landtag.“ Seinen Tod könne man nicht ungeschehen machen. Doch Lübckes Einsatz für Demokratie und Humanität sei als Vermächtnis eine gemeinsame Dauerverpflichtung.
Die Frage, ob man den Mord hätte verhindern können, halte er für berechtigt, fügte Bouffier hinzu. Es sei letztlich Spekulation. Da alle Zeugen in dem Ausschuss erklärt hätten, dass sie keine Informationen über den geplanten Anschlag hatten und es keine Rechtsgrundlage für eine Überwachung oder Telefonabhören gab, komme er zu dem Schluss, dass man es nicht habe verhindern können.