Berlin (epd). Christoph Lübcke gibt den Sicherheitsbehörden eine Mitschuld an der Ermordung seines Vaters Walter Lübcke. Mit hundertprozentiger Sicherheit könne man das nicht wissen, aber er sei „überzeugt, dass sein Tod hätte verhindert werden können“, sagte Lübcke dem Nachrichtenportal „t-online“ in einem am Freitag veröffentlichten Interview. Man hätte damals dem Rechtsextremismus genauso viel Aufmerksamkeit widmen müssen wie etwa dem islamistischen Terror. „Aber der Staat war auf dem rechten Auge blind“, sagte Christoph Lübcke
Der damalige Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war 2019 auf der Terrasse seines Privathauses von einem Rechtsextremisten erschossen worden. Der Tat waren massive öffentliche Anfeindungen wegen dessen Haltung zur Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland vorausgegangen. Im Prozess gegen den Mörder traten die Witwe und die beiden Söhne als Nebenkläger auf.
Wenn Erika Steinbach oder die AfD gegen seinen Vater gehetzt hätten, „standen in den Kommentaren darunter oft Sätze wie 'Die Walther erledigt den Rest'“, sagte Christoph Lübcke: „Gemeint war die Pistole. Das war ein klarer Aufruf zum Mord an meinem Vater.“ Passiert sei aber nichts. „Diese Aufforderungen wurden zum damaligen Zeitpunkt in keiner Weise geahndet. Sie blieben stehen“, kritisierte Lübcke
„So froh wir über die Verurteilung des Haupttäters sind, so sind wir zugleich überzeugt, dass er nicht allein gehandelt haben kann“, sagte Christoph Lübcke. Die Familie gehe davon aus, dass ein später freigesprochener Komplize mit vor Ort war und den Vater ablenkte, während der Mörder schoss. „Das Gericht wollte dieser Spur aber nicht nachgehen, hielt an der Einzeltäter-Theorie fest. Das können wir bis heute nicht nachvollziehen“, sagte Christoph Lübcke.