München (epd). Experten haben mehr Rechte für Betroffene von Missbrauch in der Kirche gefordert. Alle Betroffenen müssten ein „individuelles Recht auf Aufarbeitung“ sowie Akteneinsicht haben, forderte Johannes Norpoth, Sprecher des Betroffenenbeirats der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, am Dienstagabend im Rahmen einer Diskussion der Katholischen Akademie in Bayern. Opfer von Missbrauch müssten endlich als „Überlebende“ wahrgenommen werden, „nicht als namenloses, waberndes Etwas“. Auch die Aufarbeitungs-Kommissionen benötigten eine Rechtsgrundlage.
Der Tübinger Kirchenrechtler Bernhard Anuth übte Kritik an der Praxis der internen Aufarbeitung: „Institutionen, die ihre Geschichte im Umgang mit sexuellem Missbrauch selbst aufarbeiten, finde ich immer problematisch.“ Das gelte für die katholische Kirche, aber auch für Sportverbände oder andere Einrichtungen, sagte der stellvertretende Vorsitzende der „Kommission sexueller Missbrauch“ in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Staatlich bestellte Wahrheitskommissionen seien der einzig Erfolg versprechende Weg, betonte Anuth.
Die Erfurter Dogmatikerin Julia Knop wünschte sich „saubere, theologische Analysen“, in denen das Geschehene strukturiert aufgearbeitet werde. Die Kirche müsse sich ihrer Schuld und ihrer „sündigen Strukturen“ bewusst werden, forderte die Theologin. Es reiche nicht, nur den einzelnen Täter zu entfernen. Das System Kirche habe „auch menschen- und lebensverachtende Züge, an die man ranmuss“, sagte Knop.
Manuela Stötzel, Leiterin des Arbeitsstabs bei der Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, verwies darauf, dass Missbrauch in Schulen, Kirchen sowie Sport- oder Jugend-Einrichtungen weiterhin stattfände. Es müsse deshalb gelingen, „in die unmittelbar menschlichen Bereiche einzudringen und diese aufzuarbeiten“, sagte Stötzel. In der katholischen Kirche seien das die Kirchengemeinden. Sie stünden vor einer großen Aufgabe, „da Täter das Umfeld natürlich manipulieren“.