Berlin (epd). Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, hat nach eigener Darstellung ein tiefergehendes Interesse des Bundestags am Afghanistan-Einsatz vermisst. Schneiderhan, der von 2002 bis 2009 ranghöchster deutscher Soldat war, sagte am Montag in der Enquete-Kommission des Bundestags zur Aufarbeitung des Einsatzes, er sei von den Fraktionen zwar viel gefragt worden. Dabei sei es aber vor allem um die Art der Durchführung, um Bewaffnung und Finanzen gegangen. Fragen nach der grundlegenden Zielsetzung des Einsatzes seien „überschaubar“ gewesen.
Auch die damalige Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kabul, Almut Wieland-Karimi, beklagte ein fehlendes Konzept bereits in der Anfangszeit des internationalen Militäreinsatzes. Es habe keine konkrete Strategie, „geschweige denn eine Exit-Strategie“ gegeben, sagte sie. Viele, die damals als zivile Organisationen die Demokratisierung Afghanistans unterstützen wollten, hätten den Einsatz „als historische Chance begriffen“. Allerdings habe es vonseiten der verantwortlichen Stellen an „Erwartungsmanagement“ gemangelt. Wieland-Karimi resümierte: „Rückblickend betrachtet fehlte ein originäres deutsches Interesse an Afghanistan.“
In der inzwischen dritten öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission beklagten die geladenen Sachverständigen erneut Fehler schon zu Beginn des Afghanistan-Einsatzes. Der damalige UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Lakhdar Brahimi, kritisierte, dass am Anfang gar nicht mehr nach den Taliban und deren Interessen gefragt wurde. Das sei die „Ursünde“ des am Ende gescheiterten Einsatzes gewesen. Wieland-Karimi kritisierte wie andere von der Kommission bereits angehörte Experten zudem mangelnde Absprachen zwischen den internationalen Partnern sowie unter den beteiligten deutschen Ressorts.
Die Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“ hat die Aufgabe, den 20-jährigen Einsatz der Bundeswehr kritisch zu beleuchten und Empfehlungen für künftige Auslandseinsätze zu entwickeln. Zusätzlich berief der Bundestag einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, dessen Arbeit sich auf die militärische Evakuierungsaktion aus Kabul im August 2021 beschränkt, die wegen der schnellen Rückeroberung des Landes durch die radikal-islamischen Taliban nötig wurde.