Frankfurt a.M., Den Haag (epd). Er war zugleich Opfer und Täter: Der Internationale Strafgerichtshof hat am Donnerstag das Urteil gegen den Anführer der berüchtigten Rebellengruppe LRA, Dominic Ongwen, bestätigt. Das Gericht in Den Haag befand den Ugander einstimmig der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen für schuldig. Auch das Strafmaß von 25 Jahren Haft bleibt bestehen. Hierbei waren sich die drei Richterinnen und zwei Richter allerdings nicht einig. Das Urteil ist rechtskräftig.
Als Kind war der heute etwa 47-jährige Ugander von der LRA verschleppt worden und verübte später als ihr Anführer brutale Verbrechen. Im Februar 2021 wurde er unter anderem wegen Mordes, Vergewaltigung, Zwangsrekrutierung von Kindern, sexueller Sklaverei und mehrerer Angriffe auf die Zivilbevölkerung mit der brutalen „Widerstandsarmee des Herrn“ in Uganda verurteilt. Das Strafmaß erging im Mai 2021. Gegen beides hatte Ongwen Berufung eingelegt. Nach Einschätzung seiner Anwälte wurde unter anderem seine eigene Entführung als Kind durch die LRA zu wenig berücksichtigt.
Zur Länge der Strafe äußerte die Vorsitzende Richterin, Luz del Carmen Ibáñez Carranza, in einem von elf Berufungspunkten eine abweichende Meinung zu ihren Kolleginnen und Kollegen, die der erstinstanzliche Entscheidung vollumfänglich folgten. Nach Einschätzung von Ibáñez Carranza wurden in einem knappen Drittel der Anklagepunkte möglicherweise Opfer mehrfach gezählt, was sich möglicherweise negativ auf Ongwen auswirke.
Gerade in diesem Fall, in dem das Gericht über einen Täter verhandle, der zugleich Opfer war, gehe es nicht um Schuld oder Unschuld, sondern um die Höhe des Strafmaßes, sagte Ibáñez Carranza. Es müsse berücksichtigt werden, dass Ongwen im Alter von ungefähr neun Jahren verschleppt, misshandelt und zu Verbrechen gezwungen wurde, auch wenn er die verhandelten Straftaten als Erwachsener beging. Ihrer Meinung nach hätte eine genaue Zuordnung der Opfer auf die Anklagepunkte verdeutlicht und das Strafmaß dahingehend ein weiteres Mal bestimmt werden müssen.
In der erstinstanzlichen Entscheidung hatte sich die Gewalt, der Ongwen als Kind ausgesetzt war, strafmildernd ausgewirkt. Die Höchststrafe, die das Gericht verhängen kann, liegt bei 30 Jahren Haft, in Ausnahmefällen auch lebenslang.
Ongwen war als Kind in Norduganda verschleppt worden und stieg zu einem Stellvertreter des flüchtigen LRA-Chefs Joseph Kony auf. Dem Gericht zufolge ließ Ongwen mehrere Jahre lang unter anderem Mädchen entführen, die als Sexsklavinnen missbraucht oder mit LRA-Kämpfern zwangsverheiratet wurden. Unter Ongwens Führung wurden demnach zudem Flüchtlingslager angegriffen und geplündert. Die LRA wird für den Tod, die Entführung und Vertreibung von Zehntausenden Menschen verantwortlich gemacht und ist für ihre Brutalität bekannt. Die Urteilsverkündung wurde wie zuvor beim ersten Richterspruch in Uganda im nationalen Fernsehen und Radio übertragen.
Die Verteidigung hatte argumentiert, Ongwen leide durch seine Erfahrungen als Kind an einer geistigen Störung und sei zu den Verbrechen genötigt worden. 2021 lehnten die Richter das Argument jedoch ab und sprachen Ongwen in 61 von insgesamt 70 Anklagepunkten schuldig.
Der Prozess gegen Ongwen war im Dezember 2016 eröffnet worden und war das bis dahin umfangreichste Verfahren am Internationalen Strafgerichtshof. Der Ugander hatte sich im Januar 2015 nach mehreren Jahren auf der Flucht der Justiz gestellt. Mehr als 4.000 Opfer waren am Verfahren beteiligt.