Frankfurt a.M. (epd). Die Polizei hat eine terroristische Gruppe zerschlagen, die einen politischen Umsturz in Deutschland geplant haben soll. Am Mittwochmorgen ließ die Bundesanwaltschaft 22 mutmaßliche Mitglieder der Gruppe sowie drei mutmaßliche Unterstützer festnehmen. Zugleich wurden in elf Bundesländern rund 150 Häuser, Wohnungen und Büros durchsucht. Acht der 25 Verdächtigen sitzen laut Bundesanwaltschaft in Untersuchungshaft.
Nach den Worten von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lassen die Ermittlungen „in den Abgrund einer terroristischen Bedrohung aus dem 'Reichsbürger'-Milieu blicken“. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach angesichts der ersten Erkenntnisse der Ermittler von einem „neuen Niveau“. Die liberale Demokratie müsse auch eine wehrhafte sein, sagte er dem MDR. Wenn terroristische Straftaten in Vorbereitung seien, müsse gehandelt werden und das Strafrecht Grenzen setzen.
Die spätestens Ende November 2021 gegründete Gruppe wollte nach Erkenntnissen der Ermittler gezielt Angehörige von Bundeswehr und Polizei für ihre Ziele gewinnen. Sie habe einen „militärischen Arm“ und einen Rat gebildet, an dessen Spitze Heinrich XIII P. R. stand. Bei ihm soll es sich Medienberichten zufolge um einen adligen Immobilienunternehmer aus Frankfurt am Main handeln, der ein Jagdschloss im ostthüringischen Bad Lobenstein besitzt. Als zweiten Rädelsführer nennt die Bundesanwaltschaft Rüdiger v. P. , laut Medienberichten ein ehemaliger Fallschirmjäger-Kommandeur.
Innenministerin Faeser sagte in Berlin, die Vereinigung sei den Erkenntnissen zufolge von gewaltsamen Umsturzfantasien und Verschwörungsideologien getrieben gewesen. Die Bundesanwaltschaft erklärte, die Beschuldigten verbinde „eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland“. Zur Umsetzung ihrer Pläne hätten sie den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten sowie Tötungsdelikte in Kauf genommen.
Generalbundesanwalt Peter Frank sagte am Nachmittag in Karlsruhe, einzelne Mitglieder der Gruppe hätten einen Angriff auf den Bundestag in Berlin erwogen. Unter den Beschuldigten ist auch eine ehemalige Bundestagsabgeordnete, die Medienberichten zufolge der AfD-Fraktion angehörte. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte, dass ein Mitglied des Kommandos Spezialkräfte (KSK) festgenommen wurde. Insgesamt seien drei Soldaten unter Verdacht.
Die Mitglieder der Gruppierung folgten laut den Ermittlern „einem Konglomerat aus Verschwörungsmythen bestehend aus Narrativen der sogenannten 'Reichsbürger'- sowie QAnon-Ideologie“. Sie seien der festen Überzeugung, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogenannten „Deep State“ regiert werde.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte in Berlin, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe bereits beim Regierungsantritt vor einem Jahr den Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die Demokratie genannt. Nach allem, was man bisher wisse, zeige das, „wie bitter wahr diese Einschätzung ist“.
Die Festnahmen erfolgten am Mittwochmorgen aufgrund von Haftbefehlen an verschiedenen Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Thüringen sowie in einem Fall in Österreich (Kitzbühel) und in Italien (Perugia). Durchsuchungen gab es auch in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Sie richteten sich laut Bundesanwaltschaft auch gegen weitere 27 Beschuldigte.
„Reichsbürger“ lehnen die Bundesrepublik Deutschland unter Berufung auf ein wie auch immer geartetes „Deutsches Reich“ ab. Der Verfassungsschutzbericht des Bundes rechnete im vergangenen Jahr rund 21.000 Menschen der Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ zu, darunter seien rund 2.100 gewaltbereit. Der Anteil derer, die zugleich dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet werden, beläuft sich dabei auf mehr als fünf Prozent, rund 1.150 Personen.