Frankfurt a.M. (epd). Ermittler haben eine terroristische Vereinigung zerschlagen, die einen politischen Umsturz in Deutschland geplant haben soll. Am Mittwochmorgen wurden 22 mutmaßliche Mitglieder der Gruppe sowie drei mutmaßliche Unterstützer festgenommen, wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte. Zugleich wurden in elf Bundesländern mehr als 130 Häuser, Wohnungen und Büros durchsucht. Nach den Worten von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lassen die Ermittlungen „in den Abgrund einer terroristischen Bedrohung aus dem 'Reichsbürger'-Milieu blicken“.
Die spätestens Ende November 2021 gegründete Gruppe habe gezielt Angehörige von Bundeswehr und Polizei für ihre Ziele gewinnen wollen. Sie habe einen „militärischen Arm“ und einen Rat gebildet, an dessen Spitze Heinrich XIII P. R. stand. Bei ihm soll es sich Medienberichten zufolge um einen adligen Immobilienunternehmer aus Frankfurt am Main handeln, der ein Jagdschloss im ostthüringischen Bad Lobenstein besitzt. Als zweiten Rädelsführer nennt die Bundesanwaltschaft Rüdiger v. P. , laut Medienberichten ein ehemaliger Fallschirmjäger-Kommandeur.
Innenministerin Faeser sagte in Berlin, die mutmaßliche terroristische Vereinigung sei den Erkenntnissen zufolge von gewaltsamen Umsturzfantasien und Verschwörungsideologien getrieben gewesen. Erst die weiteren Ermittlungen würden ein klares Bild ergeben, wie weit die Umsturzpläne schon gediehen waren, fügte sie hinzu. Für das Internationale Auschwitz Komitee forderte dessen Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner, „alle 'Reichsbürgerinnen' und 'Reichsbürger' konsequent zu entwaffnen, bevor es in unserem Land zu einer Katastrophe kommt“.
Die Bundesanwaltschaft erklärte, die Beschuldigten verbinde „eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland“. Zur Umsetzung ihrer Pläne hätten sie den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten sowie Tötungsdelikte in Kauf genommen.
Die Mitglieder der Gruppierung folgten laut den Ermittlern „einem Konglomerat aus Verschwörungsmythen bestehend aus Narrativen der sogenannten 'Reichsbürger'- sowie QAnon-Ideologie“. Sie seien der festen Überzeugung, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogenannten „Deep State“ regiert wird.
Eine Befreiung verspreche nach Einschätzung der Mitglieder der Vereinigung das unmittelbar bevorstehende Einschreiten der „Allianz“, eines technisch überlegenen Geheimbundes von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten, einschließlich der Russischen Föderation sowie der USA. Die Bekämpfung der verbleibenden Institutionen und Repräsentanten des Staates sowie die Absicherung der Macht sollten demnach durch die Vereinigung übernommen werden. Hierzu sollte eine Übergangsregierung gebildet werden, die nach der Vorstellung der Vereinigungsmitglieder dem „klassischen Reichsbürgernarrativ entsprechend“ die neue staatliche Ordnung in Deutschland mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs verhandeln sollte.
Die Festnahmen am Mittwochmorgen erfolgten an verschiedenen Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Thüringen sowie in einem Fall in Österreich (Kitzbühel) und in Italien (Perugia). Durchsuchungen gab es auch in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Sie richteten sich laut Bundesanwaltschaft auch gegen weitere 27 Beschuldigte.
„Reichsbürger“ lehnen die Bundesrepublik Deutschland unter Berufung auf ein wie auch immer geartetes „Deutsches Reich“ ab. Der Verfassungsschutzbericht des Bundes rechnete im vergangenen Jahr rund 21.000 Menschen der Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ zu, darunter seien rund 2.100 gewaltbereit. Der Anteil derer, die zugleich dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet werden, beläuft sich dabei auf mehr als fünf Prozent, rund 1.150 Personen.
Die Gruppe der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Das führen die Sicherheitsbehörden vor allem auf die Proteste gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen zurück.