Berlin (epd). Die vom Bundestag angestrebte Regelung der Hilfe beim Suizid bleibt umstritten. Unter den Sachverständigen, die am Montag im Rechtsausschuss des Parlaments angehört wurden, gab es keine Mehrheit für einen der drei vorliegenden Vorschläge. Die Mehrheit der geladenen Juristen äußerten Skepsis gegenüber einer Regelung im Strafrecht, wie sie die Gruppe um die Abgeordneten Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CSU) vorsieht. Praktikerinnen warnten indes vor einer zu liberalen Regelung.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 geurteilt, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, hierbei Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Eine bis dahin geltende Regelung, die organisierte Suizidassistenz von Sterbehilfeorganisationen verboten hatte, erklärte das Gericht für nicht zulässig. Nun geht es im Bundestag um eine mögliche Folgeregelung.
Drei Gruppen mit Abgeordneten verschiedener Fraktionen haben dazu Vorschläge vorgelegt. Alle drei Entwürfe sehen vor, dass das Betäubungsmittelgesetz dahingehend geändert wird, dass todbringende Medikamente auch für eine beabsichtigte Selbsttötung verschrieben werden dürfen, legen die Hürde dafür aber unterschiedlich hoch.
Eine Gruppe um Castellucci, Heveling und Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) plädiert für ein erneutes Verbot der organisierten, sogenannten geschäftsmäßigen Suizidassistenz, das aber in eng definierten Grenzen Ausnahmen zulässt. Voraussetzung für eine legale Hilfe bei der Selbsttötung wäre unter anderem eine ärztliche Begutachtung.
Vier der fünf geladenen Juristen lehnten dies ab. Die Hilfe bei der Ausübung eines Freiheitsrechts sei „kein im Regelfall strafwürdiges Unrecht“, erklärte der Düsseldorfer Strafrechtsprofessor Helmut Frister. Es erscheine nicht sachgerecht, „eine bei der Ausübung dieses Rechts geleistete Hilfe grundsätzlich mit Strafe zu bedrohen“, betonte Frister, der auch dem Deutschen Ethikrat angehört.
Der Hamburger Jurist Karsten Gaede äußerte ebenfalls Skepsis und warnte mit Blick auf die im Gesetzentwurf formulierten Bedingungen davor, Betroffene, die Hilfe bei der Selbsttötung in Anspruch nehmen wollen, mit „maximalen und kaum konkretisierten Anforderungen“ zu überfordern. Abgelehnt wurde der Castellucci-Entwurf auch vom Münchner Strafrechtsexperten Christoph Knauer und von Gina Greeve vom Deutschen Anwaltverein.
Der Osnabrücker Strafrechtler Arndt Sinn dagegen hält eine Regelung im Strafgesetzbuch für sinnvoll. Sie folge einem legitimen Zweck, weil Autonomie und Leben dadurch geschützt werden sollen, sagte er. Den anderen Entwürfen warf er vor, hinter diesem Schutzgebot zurückzubleiben.
Die anderen beiden Gruppen legen in ihren Entwürfen den Fokus auf die Durchsetzung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben. Katrin Helling-Plahr (FDP), Helge Lindh (SPD) und weitere Parlamentarier wollen eine Beratung zur Bedingung für eine Suizidassistenz machen. Der Vorschlag von unter anderem Renate Künast (Grüne) und Nina Scheer (SPD) geht in eine ähnliche Richtung wie der von Helling-Plahr. Er unterscheidet bei den Voraussetzungen allerdings zwischen Menschen in medizinischen Notlagen und solchen, die das nicht sind.
Die Leiterin des Hospizdienstes beim Malteser Hilfsdienst in Berlin, Kerstin Kurzke, gab zu bedenken, dass die Äußerung eines Suizidwunsches oftmals ein Hilfeschrei sei. „Menschen, die sagen, ich möchte nicht mehr leben, meinen: Ich möchte so, wie es jetzt ist, nicht mehr leben“, sagte sie. Auch die Psychiaterin und Leiterin des Nationalen Suizidpräventionsprogramms, Barbara Schneider, sagte, sie habe fast täglich Kontakt mit suizidalen Menschen, kenne aber nur wenige, „die eine eindeutige Entschlossenheit haben“.
Ebenso wie der Vorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes, Winfried Hardinghaus, forderten sie mehr Anstrengungen des Gesetzgebers bei der Suizidprävention. „Die Gesellschaft muss ein starkes Zeichen der Lebensbejahung und Fürsorge setzen“, sagte er. Die Gruppe um Castellucci und andere Abgeordnete hat zu ihrem Entwurf auch einen Antrag zur Suizidprävention vorgelegt. Wann final über die Entwürfe im Bundestag abgestimmt werden soll, ist noch offen.