Industriestaaten und Entwicklungsländer streiten über Klimahilfen

Industriestaaten und Entwicklungsländer streiten über Klimahilfen
Die Weltklimakonferenz kommt in die entscheidende Phase. Aber im Streit um den Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten in armen Ländern geht es nur in Trippelschritten voran. Industriestaaten nehmen China in die Pflicht.

Scharm el Scheich (epd). Einen Tag vor dem offiziellen Ende der Weltklimakonferenz ist bei dem zentralen Punkt der Klimahilfen für arme Länder keine Lösung in Sicht. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte am Donnerstag im ägyptischen Scharm el Scheich: „Wir brauchen nicht drum herumzureden, noch nie waren ambitionierte Ergebnisse auf einer Klimakonferenz so schwierig wie in diesen Tagen.“ Der Klimagipfel soll offiziell am Freitag enden, viele rechnen aber mit einer Verlängerung.

Streit gibt es vor allem über das Thema „Schäden und Verluste“, das in diesem Jahr erstmals auf die Agenda des Klimagipfels kam. Die Entwicklungsländer pochen auf einen zentralen Fonds, über den sie Zugriff haben auf Gelder, mit denen sie auf Zerstörungen und Katastrophen infolge der Erderwärmung reagieren können. Die Industriestaaten favorisieren wiederum einen Mix aus bereits bestehenden und neuen Maßnahmen, darunter Versicherungen.

Baerbock wies auf den globalen Schutzschirm für Klimarisiken hin, den Deutschland am Montag gemeinsam mit Ghana und anderen Ländern vorgestellt hatte. Dieser Schutzschirm sei aus deutscher Sicht „Teil eines Mosaiks für Loss and Damage“ (Deutsch: Verluste und Schäden), sagte sie.

Ferner forderte die Ministerin die Beteiligung aller Klimasünder an den Hilfen für arme Länder. Wenn jetzt ein neues Instrument für diese Schäden und Verluste geschaffen werde, dann dürfe das nicht nach den Realitäten von vor 40 Jahren gebaut werden, sondern für die Realitäten der nächsten 40 Jahre.

„Es stimmt: Wir in Europa und in Nordamerika als Industriestaaten tragen mit unserem auf Fossilen aufgebauten Wohlstand die Verantwortung für die Klimaschäden der jüngeren Vergangenheit und auch die meisten der Gegenwart“, sagte die Grünen-Politikerin. Aber alle großen Emittenten von heute trügen die Verantwortung für die Klimaschäden der Zukunft. Alle Staaten könnten jetzt zeigen, dass sie zu mehr Ambition und mehr Solidarität bereit seien, fügte sie hinzu, ohne ein Land zu nennen.

Im Interview mit RTL/ntv wurde sie konkreter. „Wenn wir jetzt als Industriestaaten sagen, natürlich müssen wir für die Schäden der Vergangenheit, für die Schäden der Zukunft aufkommen, dann ist das nur eine Frage von Gerechtigkeit. Aber China muss dann auch für die Schäden der Zukunft mit aufkommen, wenn sie nicht bereit sind, ihre eigenen Emissionen in Zukunft radikal herunterzubringen“, sagte sie. Ähnlich hatte sich zuvor auch der EU-Kommissionsvize Frans Timmermans geäußert.

Der senegalesische Klimaexperte Lamine Cissé pochte darauf, dass sich die Staaten auf einen verbindlichen Finanzierungsmechanismus einigen. Im Senegal müssten schon jetzt Gemeinschaften ihr Land verlassen, und der Staat habe nur sehr begrenzte Möglichkeiten, sie zu unterstützen, sagte der Leiter des Büros der African Climate Foundation dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Auswirkungen der Klimakrise auf Wirtschaft, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit müssten dringend abgefedert werden, forderte Cissé, der für seine Organisation an der Klimakonferenz teilnimmt.

Auf der technischen Ebene kam es derweil zu einer ersten Annäherung. Es gab eine Einigung auf Struktur und Mandat für das sogenannte Santiago-Netzwerk für Schäden und Verluste. Darüber sollen nach Angaben des Bundesentwicklungsministeriums Entwicklungsländer schneller Zugriff auf Finanzhilfen von Organisationen der Vereinten Nationen erhalten.

Bei dem Klimagipfel verhandeln seit dem 6. November Delegierte aus fast 200 Länder über konkrete Schritte zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015. Ziel ist es, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Derzeit steuert die Welt Fachleuten zufolge auf rund 2,5 Grad Celsius zu. Papst Franziskus rief die Staaten über Twitter auf, zu handeln, „bevor es zu spät ist“.