Berlin (epd). Die gesetzlichen Krankenkassen haben nach einer Erhebung der AOK im vergangenen Jahr fast neun Prozent mehr für Arzneimittel als ein Jahr zuvor ausgegeben. Die Nettoausgaben seien 2021 um 8,8 Prozent auf 50,2 Milliarden Euro gestiegen, teilte der Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) am Donnerstag in Berlin mit. Überdurchschnittliche Steigerungen verzeichnete die AOK in ihrem Arzneimittel-Kompass 2022 für patentgeschützte Medikamente, Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen, auch „Orphan Drugs“ genannt, sowie biologische Mittel.
„Diese drei Marktsegmente zeichnen sich dadurch aus, dass sehr viel Geld für wenige Medikamente aufgebracht wird, von denen letztendlich auch wenige Menschen profitieren“, kritisierte Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Er forderte von der Politik, „Ausnahmeregelungen für Orphan Drugs endlich abzuschaffen und die Versorgungsqualität damit zu verbessern“.
Sabine Richard, Geschäftsführerin Versorgung beim AOK-Bundesverband, verlangte eine auf sieben Prozent abgesenkte Mehrwertsteuer auf Medikamente. Sie kritisierte, dass Hersteller ein halbes Jahr lang die Preise für ihre neue Arzneien festlegen könnten. Die ab dem zweiten Halbjahr zu erwartenden Preissenkungen würden vermutlich vorher eingepreist. Richard sprach sich deshalb dafür aus, den ausgehandelten Erstattungsbetrag rückwirkend ab der Markteinführung festzulegen.
Neue Mittel seien zudem nicht zwangsläufig besser, hieß es weiter: Für 61,5 Prozent der Patienten brächten neue Arzneien keinen zusätzlichen Nutzen. „Damit führen eine Vielzahl von aufwändigen Forschungsvorhaben der Pharmazeutischen Industrie bis zur Einführung eines neuen Arzneimittels nicht zu einer verbesserten Versorgung“, kritisierte Schröder.