Frankfurt a.M. (epd). Die Einigung auf ein Waffenstillstandsabkommen für Äthiopien ist laut dem Konfliktforscher Gerrit Kurtz ein großer Schritt auf dem Weg zum Frieden in dem ostafrikanischen Land. Es sei ein „substanzielles Abkommen“, das viele Beobachter nach den Verzögerungen bei den Verhandlungen so nicht erwartet hätten, sagte der Äthiopien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag. Zugleich betonte Kurtz, dass es nun auf die Umsetzung der am Mittwoch von Vertretern der Zentralregierung und der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) verkündeten Einigung ankomme. Dabei sei vor allem die Präsenz eritreischer Truppen in der umkämpften Tigray-Region eine Herausforderung.
Nach zwei Jahren Bürgerkrieg im Norden Äthiopiens hatten sich die TPLF und die Zentralregierung am Mittwochabend in Südafrika auf eine Waffenruhe geeinigt, die ab sofort gelten soll. Der erste große Test sei, ob die Kriegshandlungen tatsächlich eingestellt werden, sagte Kurtz.
Ein weiterer kritischer Punkt ist Kurtz zufolge die Frage, ob sich die an der Seite der Zentralregierung kämpfenden eritreischen Truppen aus Tigray zurückziehen. Zwar gebe es in dem Abkommen Hinweise, dass der Einsatz von externen Kräften verboten sei. „Aber der Abzug der eritreischen Truppen wird nicht explizit erwähnt“, sagte Kurtz, der unter anderem zum Horn von Afrika und innerstaatlichen Konflikten forscht. Wie sich die zahlreichen regionalen Milizen in dem Konflikt an das Abkommen gebunden fühlten, sei ebenfalls unklar.
Das unter der Vermittlung der Afrikanischen Union zustande gekommene Abkommen wurde vor dem Hintergrund von Geländegewinnen der äthiopischen Streitkräfte erzielt. Dass die Streitkräfte Tigrays entwaffnet werden sollten, habe „sicherlich auch stark mit diesen Geländegewinnen zu tun“, sagte Kurtz. Anderenfalls hätten sich die Vertreter aus Tigray darauf nicht eingelassen. Nun brauche es einen politischen Dialog und Friedensverhandlungen. Dabei müssten auch die Menschenrechtsverbrechen, die allen Konfliktparteien vorgeworfen werden, aufgearbeitet werden. Noch gebe es „gewichtige Unterschiede“ zwischen den Parteien, die nicht geregelt seien. „Das ist jetzt erst mal nur ein Waffenstillstand, das ist noch kein Friedensvertrag“, sagte Kurtz.
Der Bürgerkrieg in Tigray begann vor zwei Jahren. Hintergrund war ein Streit um die Macht in der nördlichen Region. Hunderttausende Menschen wurden in die Flucht getrieben, Millionen von Frauen, Männern und Kinder hungern und sind auf Hilfe angewiesen.