TV-Tipp: "Böses muss mit Bösem enden"

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24. Februar, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Böses muss mit Bösem enden"
Spätestens seit H. G. Wells’ mittlerweile 130 Jahre altem Klassiker "Die Zeitmaschine" gehört die Frage, ob der Mensch den vergangenen oder den zukünftigen Lauf der Dinge beeinflussen kann, zu den interessantesten Sujets der Science-Fiction. Für einen deutschen TV-Krimi ist das allerdings zumindest auf den ersten Blick ein recht ungewöhnlicher Stoff.

Andererseits spielte die Zeit in den vor knapp zwanzig Jahren gestarteten Geschichten aus dem Spreewald schon immer eine große Rolle, weil Reihenschöpfer Thomas Kirchner gern mit raffinierten Rückblendenkonstruktionen gearbeitet hat. Nils-Morten Osburg, ohnehin ein Garant für fesselnde Krimis, hat den Spieß nun in seinem gemeinsam mit Produzent Wolfgang Esser verfassten zweiten "Spreewald"-Drehbuch umgedreht. Diesmal geht es nicht um bereits begangene Verbrechen, sondern um Taten, die noch gar nicht geschehen sind; und weil der pensionierte Kommissar Krüger (Christian Redl) unversehens in der Lage ist, einen Blick in die Zukunft zu erhaschen, lassen sie sich möglicherweise verhindern. 

Das klingt erst mal schräg, wird aber gegen Ende sogar noch bizarrer. Zunächst fragt sich Krüger, ob ihm sein Gehirn einen Streich spielt, und erklärt sich die merkwürdigen Erlebnisse mit einer beginnenden Demenz. Was er erlebt, ist allerdings eher das Gegenteil von Vergesslichkeit: Eine Buchhändlerin, die ihm gestern noch auf Krücken entgegenkam, kann plötzlich wieder problemlos laufen. Tags drauf wiederholt sich die erste Begegnung, diesmal wieder mit Gehstützen: Die Frau hat sich das Kreuzband gerissen; kein Wunder, dass Krüger verwirrt ist. Der Sturz hat sich im Schloss Lübbenau ereignet, dort hat ein Mann einen Vortrag gehalten. Er ist Astrophysiker und fesselt sein Publikum mit anspruchsvollen Gedankenexperimenten über den Lauf der Zeit. 

Es geht unter anderem um die Frage, ob sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft generell ganz anders verhalten, als wir glauben. Unsere Zukunft, behauptet der Wissenschaftler, sei nicht nur festgeschrieben, sie existiere sogar bereits; "aber wenn alles nur Schicksal ist, wo bleibt dann die Möglichkeit zur freien Entfaltung?" Das fragt sich schließlich auch Krüger, der dem Mann ein paar Mal über den Weg laufen wird. Der Wissenschaftler trägt einen ungewöhnlichen Namen, und wer sich ein bisschen in der biblischen Mythologie auskennt, ahnt spätestens jetzt, dass dieser siebzehnte "Spreewaldkrimi" vom ewigen Kampf zwischen den Kräften des Guten und des Bösen handelt. Gleich zu Beginn schlängelt sich als Anspielung auf die Herkunft des Gegenspielers ein riesiges Urviech durch einen der vielen Waldkanäle. 

Trotz des Hintergrunds, der die Basis des Geschehens bildet, ist es Osburg und Esser gelungen, eine Handlung zu entwerfen, die dennoch in erster Linie ein Krimi ist. "Böses muss mit Bösem enden" – der Titel ist ein Zitat aus dem Schiller-Gedicht "Das Siegerfest" – beginnt mit einem Mord: Ein Heckenschütze (Robin Sondermann) verletzt Polizistin Luise Bohn (Alina Stiegler) lebensgefährlich. An der Wand der Hütte, in der sich der Jäger für sein blutiges Waidwerk rüstet, hängen vier Fotos. Die weiteren Aufnahmen zeigen Krüger, den Ex-Kollegen Fichte (Thorsten Merten) und dessen Tochter Fina (Mercedes Müller); Bohn wird nicht das letzte Opfer des Killers bleiben. Sein Motiv ist ein Krimiklassiker, aber wie sich die Ereignisse zuspitzen, weil der Film noch lange nicht vorbei ist, als es Fina gelingt, das tödliche Treiben zu beenden, ist selbst für diese an bemerkenswerten Geschichten wahrlich nicht arme Reihe außergewöhnlich.

Regie führte Jan Fehse, er hat bereits drei der vier letzten Episoden inszeniert und dabei das hohe Niveau des "Spreewaldkrimis" mindestens gehalten. Darstellerisch sind die Filme ohnehin immer  sehenswert. Gerade Fabian Hinrichs ist eine ausgezeichnete Besetzung für den rätselhaften Widerpart Krügers; spätestens das Finale, als ein Fingerschnipsen genügt, um den Lauf der Dinge zu ändern, ist ein metaphysisches Vergnügen. Weil der zumindest mit Blick auf Film- und Fernsehpreise sträflich unterschätzte Schauspieler auch im wahren Leben ein kluger Kopf ist, sind die Ausführungen des Physikers und Philosophen umso berückender. Die Bildgestaltung (Holly Fink) ist ebenfalls exquisit wie stets. Diesmal setzt zudem die Musik (Mario Lauer) besondere Akzente. Das gilt auch für die mit Bedacht ausgewählten klassischen Stücke wie "Tanz der Stunden" aus der Oper "La Gioconda" oder Mozarts Requiem in d-Moll. Es nimmt den tragischen Schlussakkord vorweg: Krüger hat ins Rad der Zeit gegriffen, und das hat seinen Preis.