Berlin (epd). Das massive Fischsterben in der Oder im Sommer geht Experten zufolge auf einen sprunghaft gestiegenen Salzgehalt im Fluss zurück, der zu einer Massenvermehrung giftiger Algen geführt hat. Der Expertenbericht gehe damit von einer menschengemachten Umweltkatastrophe aus, teilten Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt am Freitag in Berlin mit. Mangels verfügbarer Informationen habe die Expertise jedoch offenlassen müssen, was die Ursache für den unnatürlich hohen Salzgehalt war.
Der deutsche Bericht zur Oder-Katastrophe wurde am Freitag veröffentlicht. An der Studie waren die Bundesanstalt für Gewässerkunde, die Landesumweltämter von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, das Landeslabor Berlin-Brandenburg und weitere Einrichtungen beteiligt. Die Ergebnisse des polnischen Berichts seien am Donnerstag in Warschau vorgestellt worden, hieß es.
Die Expertise vom Freitag sei einer „Vielzahl von Hypothesen für die Ursache des Fischsterbens nachgegangen“, hieß es weiter. Das Zusammenspiel von schnell angestiegener Salzkonzentration, Sonneneinstrahlung und rasantem Wachstum einer Brackwasseralge habe durch zahlreiche Wasserproben und Satellitenaufnahmen belegt werden können.
Unklar sei noch, wie die giftige Alge, die normalerweise in Küstengewässern vorkommt, ins Binnenland geraten ist. Die eigene Einschätzung könne erst abschließend bestätigt werden, wenn der Bericht aus Polen ausgewertet sei, betonte Lilian Busse, Vizepräsidentin des Umweltbundesamtes und Leiterin der deutschen Expertengruppe.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte am Donnerstag unter Berufung auf Wasser- und Bodenproben Salzeinleitungen der polnischen Bergbauindustrie für das Fischsterben in der Oder im August verantwortlich gemacht. Die höchsten Salzwerte fanden sich laut Greenpeace bei der eigenen Untersuchung an einem Rückhaltebecken eines Bergbaukonzerns in Niederschlesien. Dort habe der Salzgehalt 40-fach über den für Süßwasser empfohlenen Werten gelegen.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sprach am Freitag von einer „gravierenden Umweltkatastrophe“ und einer „verheerenden Wirkungskette“. Das Fischsterben sei jedoch nicht nur ein Problem der Oder, betonte sie: „Angesichts der Klimakrise ist ernsthaft zu prüfen, was wir unseren Flüssen in Zukunft noch zumuten können.“
Neben der Ermittlung der Ursachen stehe nun vor allem die Regeneration der Oder im Vordergrund, betonte Lemke. Ausbaumaßnahmen an der Oder stünden dem entgegen. Sie wolle dazu den Austausch mit ihrer polnischen Kollegin suchen, „um für dieses Verständnis zu werben und um gemeinsame nächste Schritte zu vereinbaren“. Mit der Überarbeitung des Warn- und Alarmplans für die Oder sei bereits begonnen worden.
Die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF forderten, Flüsse widerstandsfähiger und zukunftsfest zu machen. Dafür seien Renaturierungen und ein Verzicht auf Ausbaumaßnahmen erforderlich.