Vorzeige-Projekt für Gesundheitskioske vor Finanzproblemen

Vorzeige-Projekt für Gesundheitskioske vor Finanzproblemen
Gesundheitsminister Lauterbach plant bundesweit 1.000 Gesundheitskioske für Menschen in benachteiligten Stadtteilen. In Hamburg-Billstedt verabschieden sich drei Krankenkassen aber aus der Finanzierung.

Hamburg, Berlin (epd). Der Hamburger Gesundheitskiosk Billstedt/Horn steht vor Finanzproblemen. Drei Krankenkassen wollen zum Jahresende aus der Finanzierung aussteigen, wie aus einer gemeinsamen, am Donnerstag veröffentlichten Erklärung der Ersatzkassen Barmer, DAK-Gesundheit und Techniker Krankenkasse (TK) hervorgeht. Darin heißt es, die Kassen wollten keine Doppelstrukturen finanzieren, schon gar nicht in der derzeit prekären Finanzsituation. Nach dem Vorbild in Hamburg plant Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in den kommenden Jahren in ganz Deutschland 1.000 Gesundheitskioske. Der Minister hatte den Kiosk in Billstedt/Horn Ende August besucht und dort seine Pläne präsentiert.

Der Gesundheitskiosk Billstedt/Horn benötigt laut den Ersatzkassen rund eine Million Euro pro Jahr für Personal und Betriebskosten. „Die Beratungsleistungen des Kiosks stehen in keinem Verhältnis zu der hohen finanziellen Aufwendung der Krankenkassen“, erklärten Barmer, DAK und TK. „Angesichts der sehr prekären Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) ab dem kommenden Jahr sind derart teure Leistungsangebote nicht realisierbar“, erklären die Ersatzkassen. Die Angebote des Gesundheitskiosks doppelten sich mit denen von Gesundheitsämtern, einzelnen Krankenkassen, Pflegestützpunkten oder den lokalen Präventionsangeboten. Nach dem epd vorliegenden Informationen befürchten Mitarbeitende des Gesundheitskiosks jetzt den Wegfall von Arbeitsplätzen.

Die AOK Rheinland/Hamburg kündigte als Reaktion auf den Ausstieg der Ersatzkassen an, ihr vertraglich vereinbartes Engagement im Gesundheitskiosk Billstedt/Horn über 2022 hinaus fortzusetzen. Es müssten Wege gefunden werden, die Finanzierung eines Angebots zu ermöglichen, das für Menschen in benachteiligten Stadtteilen wichtig sei, hieß es.

Gesundheitsminister Lauterbach hatte bei seinem Besuch in Billstedt die dortige Arbeit gelobt. Seinen Plänen zufolge sollen Kommunen Gesundheitskioske in Gebieten und Stadtteilen gründen, die durch Armut geprägt sind und sie gemeinsam mit den Krankenkassen finanzieren. Den Eckpunkten für Lauterbachs Gesetzesinitiative zufolge soll die öffentliche Hand 20 Prozent der Ausgaben tragen, während die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet werden sollen, 74,5 Prozent zu übernehmen und die privaten Krankenversicherungen 5,5 Prozent.

Der Gesundheitskiosk in Billstedt wurde 2017 als Modellprojekt gestartet und die Finanzierung mehrfach befristet verlängert. Über die Summe, die für den Kiosk nun wegfällt, wollten die Beteiligten keine Angaben machen. Vom Spitzenverband der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und dem Bundesgesundheitsministerium waren zunächst keine Stellungnahmen zur Aufkündigung der Finanzierung des Billstedter Vorzeige-Kiosk durch die Ersatzkassen zu bekommen.

Der Ärzteverband Virchowbund, der wie auch ein lokales Ärztenetz zu den Gesellschaftern des Gesundheitskiosks Billstedt gehört, warf Gesundheitsminister Lauterbach vor, eine gute Versorgung in sozialen Brennpunkten zu gefährden. Die Pläne des Ministers seien „unausgegoren“, erklärte der Vorsitzende Dirk Heinrich. Der Finanzdruck bei den Krankenkassen sorge dafür, dass sich in Hamburg die Ersatzkassen aus dem Projekt verabschiedeten.